Am Dienstagmorgen, den 8. Mai 1515, kommt ein junger Reisender in das Vorzimmer der Amtsstube des Vogtes Conrad Breuning und gibt als Grund für eine dringende Unterredung an, er wolle eine scheußliche Straftat anzeigen. Er wird vorgelassen.

Die Tür hat sich kaum geschlossen, als Conrad Breuning in seinem Kabinett einen großen, breitschultrigen Mann erblickt. Er besieht sich den jungen Mann genau.
Ein beeindruckendes Äußeres: Stämmig wie ein Waldarbeiter, strotzt sein Körper vor Gesundheit und Kraft. Das ganze Gesicht strahlt Natürlichkeit aus. Seine Bewegungen sind durchdrungen von guter Erziehung und Leichtigkeit, seine Schritte sind federnd und lautlos.


Mit starkem Händedruck begrüßt er den Vogt, der ihm über seinem Amtstisch die Hand hinhält. Er stellt sich vor: Georg Setzer, Druckerlehrling aus Nürnberg.

Eine Handbewegung Breunings veranlasst ihn, sich zu setzen und zu berichten, was es Dringendes gebe.


Georg holt tief Luft, schließt kurz die Augen und beginnt mit einer Beschreibung der Umstände und der Umgebung seinen Bericht.


„Stumpfes Licht lag gestern über dem Böblinger Wald. Bis Mittag hielten sich fließender Nebel und Reif auf Bäumen und Sträuchern. Ein toter Himmel darüber. Ich ging mit leichtem Rucksack raschen Schrittes, um nicht zu frieren. Ein Weg führte mich durch Kiefern. Ihre Wipfel rauschten, und den Wald durchlief ein leises Raunen.“


Conrad Breuning trommelt mit seinen Fingern auf die Schreibtischplatte. Als Vogt von Tübingen und damit oberster herzoglicher Ordnungshüter der Stadt und des Landkreises hat er für Naturbetrachtungen dieser Art keine Zeit. Der Besucher möge zur Sache kommen!


Nun presst Georg durch die Lippen: „Herzog Ulrich hat seinen Stallmeister Hans Hutten ermordet! Ich sah es mit eigenen Augen.“


Der Vogt blickt Georg scharf an. Welche ungeheuerliche Beschuldigung wagt der junge Mann da auszusprechen? Dass jemand offen gegen den Herzog aussagt, hat Breuning bisher noch nicht erlebt. Er bleibt äußerlich ruhig. Sein Inneres ist mächtig aufgewühlt.


Georg fährt fort mit dem, was er beobachtet hat. „Gegen Mittag machte ich Rast in der Nähe von Waldarbeitern. Ich hörte schnaubende Pferde und sah von weitem zwei prächtige Reiter zwischen den Bäumen. Von den Näherkommenden ungesehen zerstreuten wir uns. Ich versteckte mich hinter einem Gesträuch, das durch allerlei Wildwuchs Deckung bot. Ganz nahe rauschte ein Bach. Vor mir lag ein lichtes Waldstück. Das Unterholz war gesammelt worden.

 

Der eine Reiter, schnurrbärtig, beleibt und kräftig, trug einen Federhut zu einem weiten Mantel und an der Seite ein Schwert. Der andere saß stolz im Sattel eines leichten Rosses, war mit einem gewöhnlichen Wams bekleidet und trug einen Degen. Sie ritten nebeneinander. Laut und aufgeregt klangen ihre Stimmen zu mir herüber. Anfangs achtete ich nicht auf das, was sie sagten. Aber als sie immer heftiger und eifernder wurden, wurde deutlich, dass sie über eine Ursula in Wut gerieten. Sie kamen im Streit auf mich zu.


‚Ihr Verlangen, mein Herzog, meine Frau zu besuchen, wann immer es Ihnen gefällt, ist mir ein großes Ärgernis. Ich dulde das nicht länger und werde sie vor Ihren Aufdringlichkeiten schützen. Ich will in ehelicher Treue mit ihr leben und nicht dem Gespött des Hofes ausgesetzt sein.‘


‚Als Souverän steht es mir zu, zu tun, was ich will, Hutten. Du gehörst zu meinem Hof, und deine Frau ist meine Favoritin. Ich dulde keine Zurechtweisung und keinen Widerspruch eines Untertanen. Also halt deinen Mund, wenn dir dein Leben lieb ist.‘
Unerschrocken erwiderte Hutten: ‚Die Unersättlichkeit Ihrer Lüste setzt nicht jedes Recht außer Kraft. Was gilt Ihnen die eheliche Treue? Wohl nur sehr wenig. Es ist kein Geheimnis mehr: Ihr offenbartes Vergehen im Umgang mit meinem Weib verlangt nach Sühne. Ich verabscheue Sie, und Ihre Liebeständeleien mit meiner Frau sind mir zuwider. Kennen Sie keine Scham?‘


Die Stimme des Herzogs klang schneidend: ‚Ich war gut zu dir, Hans von Hutten. Ich habe dir heimliche Gedanken anvertraut. Nun bist du mir zum schleichenden Verräter geworden. Du hast dein Gelübde gebrochen. Dein treuloser Verrat hat mir ein viehisches Gelüst nach stetem Wechsel von Mägden, Töchtern und Weibern nachgesagt. Mein lüsternes Auge und mein wildes Herz könnten keinem Raub Einhalt gebieten, hast du behauptet. Ich sei nicht zu sättigen in meinem Durst nach leidenschaftlicher Liebe. Es reicht. Meine Gunst hast du verwirkt. Genug der boshaften Beleidigungen! Genug der erdichteten Lügen!‘


Wie in einem Kampf zog der Herzog blitzschnell sein Schwert und hieb auf Hutten ein. Getroffen fiel Hans kopfüber vom Pferd auf den harten Boden. Er richtete sich langsam auf, kam aber nur noch auf seine Knie. Auf allen vieren kroch er, so schnell er konnte, in Richtung meines Versteckes. ‚Gnade‘, stöhnte er. Da war der Herzog Ulrich schon über ihm. Hasserfüllt stach er nun mit seinem Dolch wahllos auf seinen Stallmeister ein. Hutten sah den Herzog mit schreckhaft aufgerissenen Augen an. Er erkannte keine Gnade in der Fratze des irren Wüterichs, nur zornige Gewalt in den zwei geweiteten Pupillen. Er spürte den keuchenden Atem des Herzogs. ‚Du falscher Freund! Du Verräter! Verräter!‘, schrie der dem fast schon besinnungslosen Hans ins Gesicht. ‚Ich verurteile dich zum Tode durch den Strang.‘


Mit jedem Blutstrom aus seinen Wunden taumelte Hans tiefer in den Schoß des Todes. Seine brechenden Augen vermieden das Schreckensbild über ihm. Sie suchten Halt im verschleierten Himmel und brachen sich in ihm. Mit einem unmenschlichen Schrei, der wie ‚Jesus!‘ klang, verstarb er.


Mir ging es durch Mark und Bein. In diesem Augenblick beschien kurz eine blasse Sonne die grausame Todesstätte.“


Der junge Mann blickte besorgt in das ernste Gesicht des Vogts.


Im Buch ist die Beanus-Komödie gekürzt. Hier die ungekürzte Version.



Zum Fest der Heiligen Katharina kommen viele Studenten, Baccalaureaten, Magister, Doktoren und Professoren ins Collegium der Münzgasse 22. Es bietet den größten Raum der jungen Universität. Hier wird heute Conrad als ahnungsloser Scholar in die Welt der Wissenschaft eingewiesen. Er hat sich als Neuling bereit erklärt, in einer schauerlichen Verkleidung die Rolle des Beanus zu übernehmen. Seine Neugierde siegt über seine Zurückhaltung.

Im Raum herrscht gelöste Stimmung. Man neckt sich, trinkt Wein und lässt sich unterhalten. Die Akteure nehmen ihre Plätze ein.

Vergenhans, Rektor der Universität, tritt auf und hält eine kurze, einführende Rede:

Ehrwürdige Herren, löbliche Lehrer und alle, die ihr zuzuschauen hierhergekommen seid. Es herrscht wohl vielfach die Meinung, dass die Deposition ein törichtes Gaukelspiel aus unnützem Geschwätz und Foppereien sei, das sich nicht lohne, Zeit und Unkosten zu investieren. Es sei besser, sie ganz abzuschaffen. Wird die Jugend durch sie mehr geärgert als gebessert? Wird sie beschmutzt und nicht geschätzt?

Wir wollen die Sache genauer betrachten: Danach werden wir klar sehen und begreifen, was dahintersteckt.

Die Komödie beginne.

Beide Chöre:

Wer stehet vor der Burse dort,

um Einlass bittend angetreten,

mit bäuerlichem Mist gefettet

und stinkend wie ein Ochs vorm Berg?

Beanus heißt er und will rein.

Sein Wissen ist noch sehr gemein,

sein krummes Horn muss grade werden,

sein fauler Zahn gezogen werden.

Refrain:

Misten kann er, doch nicht lesen.

Schmieren kann er, doch nicht schreiben.

Saufen kann er, doch nicht trinken.

Grölen kann er, doch nicht singen.

Der Beanus kommt in seiner Verkleidung herein und verkriecht sich in einen Winkel des Raumes.

Auftritt: Gregor und Matthias als Studenten

Gregor: Was stinkt es hier so fürchterlich? Verwest hier eine Leiche oder dünstet ein Ziegenbock seinen Stallgeruch aus? Ehrenwerte Herren und Freunde, wie können Sie es hier in diesem Mief aushalten? Selbst mit zugehaltener Nase ertrag ich’s nicht. Ich muss weg! Wenn ich länger bliebe, fiele ich bald vom Gestank in Ohnmacht und schlüge mir den Kopf auf. Weg hier! Komm mit, Matthias.

Matthias rümpft die Nase, atmet flach, verzieht das Gesicht.

Matthias: Nicht so schnell, Gregorius. Wir werden doch wohl herausfinden, was hier so stinkt.

Gregor: Auch gut. Schau in allen Ecken nach, hier muss ein stinkendes Schwein sein.

Matthias: Such mit, zusammen finden wir’s heraus.

Der Chor: Warm! – Kalt!

Beide durchstreifen das Zimmer – und finden etwas.

Gregor: Was ist denn das hier? Was für ein Ungeheuer hab ich denn hier! Schau mal, Matthias! Du kannst es nicht anschauen, ohne dir deine Augen zu verderben und dein Gehirn zu erschüttern. Dieses Tier hat Hörner, Ohren wie ein Ochse, und seine Zähne ragen weit in beide Richtungen aus seinem Kiefer. Es droht, mich zu beißen wie ein Wildschwein. Seine Nase ist wie der Schnabel einer Eule gebogen, und seine roten Triefaugen blinzeln vor Wut. Wehe dem, den es ergreift! Es wird ihn in Stücke zerreißen. Kurz und gut: Erinnerst du dich an die schreckliche Figur des Teufels? Dieses Tier ist viel missgestalteter als der. Schnell weg, bevor es uns angreift.

Das Tier‘ nähert sich auf allen vieren und hebt den Kopf.

Matthias: Auch wenn ich mein Leben riskiere, ich bin zu neugierig. Er geht auf das Tier einen Schritt zu und bückt sich vorsichtig. Ist es vielleicht nur ein Beanus? Blickt in die halbdunkle Runde

Gregor: Meinst du, dass es ein Neuling in unserer Gemeinschaft ist, der studieren will?

Matthias sieht sich die Verkleidung genauer an. Wenn ich mich nicht völlig täusche, ist es ein Beanus.

Gregor, angewidert: Ich habe noch nie ein so scheußliches und wildes Tier wie diese Missgestalt gesehen. Seine Grausamkeit und Wildheit springen mir ins Auge.

Matthias: Sei mal für eine Sekunde still. Ich will es ansprechen. – Hast du einen Namen? Beanus nickt. Wie heißt du?

Beanus: Conrad.

Matthias: Wann bist du hierhergekommen, Herr Conrad? Bist du mein Landsmann?

Beanus nickt heftig.

Matthias: Gib mir die Hand zur Begrüßung. – Was! Du willst mich mit deinen Klauen kratzen? Dann müsste ich mich erst einmal panzern, bevor ich dir die Hand gebe. Er zieht seine Hand weg. Was sitzt du hier auf dem Boden, Stinker? Er schnüffelt an ihm herum. Siehst du nicht die ehrenwerten Männer im Raum, in deren Beisein man aufstehen muss?

Beanus steht steif auf.

Matthias: Mein Gott! Er steht da wie ein Stock! Und es ist ihm nicht peinlich, obwohl ihn alle anblicken. Seht alle her, wie erschöpft er schon vom Aufstehen ist. Er hat wohl ganz weiche Knie. Seht nur, wie es ihm den Nacken nach unten zieht! Es krümmt ihn schon wie eine alte Frau.

Gregor: Du hast gar kein Mitleid mit ihm. Mit welchem Recht ärgerst du ihn so? Ich mach da nicht mehr mit. Immerhin ist es ein Landsmann. Conrad, freu dich. Ich verteidige dich. Wir wollen ein Glas trinken und wieder Mut fassen nach diesem Ärger.

Gregor reicht dem Beanus ein Glas.

Gregor: O, du blöder Flegel, hast du keine Angst, ein Glas zu berühren? Wolltest du deinen giftigen Schnabel in den Becher tauchen, aus dem dein Magister jetzt trinkt? Meinst du, du dürftest wie er Wein, süßen Wein, trinken? Du sollst Wasser saufen, schlammiges Wasser, am Bach mit dem Vieh. Lösche deinen rasenden Durst wie ein Packesel, der am Ende seiner Tagesarbeit seine krumme Schnauze ins Wasser hält und es mit geschwollenen Lippen einzieht.

Matthias: Das reicht! Hör auf! Was soll der zärtlich aufgezogene Jüngling davon halten, wenn er wie ein Ochse behandelt wird? Wenn das die Mutter wüsste, deren einziger Liebling er ist? Wie viele Tränen würde sie vergießen! Wie würde das Herz ihr schwer! Selbst in Todesgefahr erduldete er nicht mehr als jetzt. Komm, schau sein Gesicht. Weint er nicht schon? Ich seh’s, seine Augen sind feucht. Als ich seine Mutter erwähnte, war er sehr bewegt. Hat er Heimweh? Ich könnt’s verstehen.

Beanus murmelt Unverständliches in sich hinein. Matthias und Gregor nähern sich ihm vorsichtig und hören ihm zu.

Matthias: Er sagt, dass uns der Teufel holen soll. Wir seien so grob und hochnäsig, dass niemand mit uns auskommen könne. Beide gehen noch näher ran. Und wir sprächen ein so merkwürdiges Latein, dass er nicht wisse, worüber wir reden.

Oh Fuchs, oh stinkender Furzer, oh du übler Ziegenbock, oh du grässliches Mischwesen, Kröte, oh nichtsnutzige Gestalt, oh du vollendeter Taugenichts! Der Teufel hat dich mit Dreck verschmiert und dir Bauch und Füße mit Jauche gesalbt!

Was war das für ein Gemurmel? Du sprichst gar nicht, du stotterst. Du gibst ja nicht Latein, sondern blödes Stammeln von dir.

Gregor: Was sollen wir mit ihm machen?

Matthias: Welch eine dumme Frage! Da gibt es eine Menge. Ich denke, er ist in der Absicht hergekommen, von seiner Scheußlichkeit befreit und in die löbliche Gemeinschaft der Studenten aufgenommen zu werden. Es wird gut sein, zuerst einen Arzt herbeizuholen. Doch was sage ich: Du selbst, lieber Gregorius, bist ja in der Medizin hochberühmt, ja vorzüglich unterrichtet. Du weißt genau, wie man den unsinnig gewordenen Bacchanten die Hörner abnimmt, dann die Zähne ausbricht, wie man die Ohren nach altem Brauch mit dem Messer stutzt. Sieh die Haare hier, die aus der Nase wachsen, die reiße zuerst aus. Es wird mühsam sein, einen so langen und struppigen Beanus zu scheren. Hast du deine scharfe Klinge aus Eichenholz griffbereit? An die Arbeit! Du wirst ihn herausputzen, wenn er seine Verbrechen bekennt. Zuletzt mag er durch die verehrten Magister von seinem Gestank befreit werden und in unsere Gemeinschaft eintreten.

Gregor: Du hast recht. Solch eine Aufgabe ist nicht ohne Gefahr und Anstrengung zu verrichten. Nur Geduld, lieber Conrad, ich will die Instrumente holen und dich von deinem Wahnsinn befreien. Du, Matthias, rede ihm gut zu bis ich wiederkomme.

Gregor geht.

Rektor Vergenhans erhebt sich lachend von seinem Stuhl und erklärt:

Selbst der liebe Gott verlangte von seinen Propheten Lächerliches und Ungewohntes. Diejenigen, die aber die Bedeutung des Lächerlichen verstanden hatten, bewahrten sie in ihrem Herzen, und ihr Glaube wurde inniger als vorher.

Laster gehen durch die Augen, Ohren, Mund, Hände und Füße, kurz: durch den ganzen Leib zum Herzen. Dann ist es sicher, dass nur über solchen Weg die Torheit und Laster aus des Menschen Herz auszujagen und hingegen gute Sitte, Tugend und Weisheit hineinzubringen ist. Unsere Vorgänger haben die Deposition der Neulinge durchgeführt, in der das Angesicht, Ohren, Mund, Hände und Füße mit solchen Instrumenten angegriffen werden, die alle ihre gewisse und nachdenkliche Bedeutung haben.

Setzen wir unsere Deposition fort.

Matthias: Das tue ich gerne. Freue dich, Conrad, schon naht deine heilsame Zeit in einer guten Stunde! Du wirst gereinigt werden von der Missgestalt des Körpers und des Geistes. Du wirst ein Mitglied unserer Universität und aller Privilegien teilhaftig werden. Gregorius, dein Arzt, ist in die Apotheke gegangen, um Pillen aus Hundekot und bitteren Kräutern zu kaufen. Falls dich bei deiner Heilung eine Schwäche anwandelt, werden sie dir als Heilmittel dienen.

Gregor läuft herein.

Da ist er schon, der Schnellfüßige. Warst du in der Apotheke?

Gregor: Ja.

Matthias: Was hast du Gutes eingehandelt, Gregorius?

Gregor: Ich habe Salbe gekauft, um unserem Kranken Nase und Mund einzuschmieren, wenn er seine Medizin nicht vertragen sollte.

Matthias: Was ist das für eine Salbe?

Gregor: Etwas Fettiges aus Ziegenkot, Wasser aus Jungfernmist, mit Blumen gewürzt, die um Mitternacht da wuchsen, wo die Bauern bei Tage Meth tranken.

Matthias: Eine köstliche Medizin für diesen Menschen!

Gregor: Zuerst will ich ihm die Hörner abnehmen. Reiche mir die Säge, Matthias.

Beanus wird ungeduldig und sträubt sich gegen den festen Griff von Gregor.

Wie, Esel, widersetzt du dich deinem Arzt?

Matthias: Halte seine Widersetzlichkeit im Zaume. Fessle ihn wie ein nicht zugerittenes Pferd. Sieh dich vor, dass er dich nicht mit seinen grausigen Klauen packt oder mit den Hörnern verletzt.

Sie binden ihm die Arme auf dem Rücken. Er jault ein wenig auf.

Gregor: Wie alt und wie verhärtet sind doch diese Hörner: Die Säge ist kaputt und beinahe alle ihre wohlriechenden Zähne zerbrochen.

Er säbelt an den Hörnern herum und hat sie schließlich in der Hand.

Sieh es dir an, freches Tier. Vorher konntest du sie nicht sehen, hast uns nicht geglaubt.

Matthias: Lieber Gott, es gibt keinen Ochsen oder Rind, dessen Haupt mit einer solchen Last beschwert ist.

Gregor: Wo habe ich nur den Zahnbrecher hingelegt? Er sieht sich um.

Matthias: Hier ist er.

Gregor: Halte den Mund her.

Er bricht die Zähne aus.

Gregor: Hier hast du einen Zahn, jetzt den andern.

Matthias: Die Zähne werde ich aufheben und zuweilen als etwas Besonderes ausstellen. Ich werde Geld von den Beschauern fordern, wie die es tun, die andere Wunder zeigen.

Gregor: Bring die Schüssel her und gieß Wasser ein. Jetzt schnell die wohlriechenden Kräuter, damit der Bart eingeweicht werde. Dann wird er geschoren.

Sie werkeln herum.

Matthias: Alles ist bereit.

Gregor: Welche Kräuter hast du hineingetan?

Matthias: Ich weiß nicht, wie sie heißen. Aber sie wachsen hinten im Garten, wo die Jauchengrube mündet.

Gregor: Ganz recht. Zum Beanus: Halte das Kinn und sei ganz unbeweglich. Der Bart ist feucht genug, aber wo ist jetzt die Klinge?

Matthias: Dort, auf dem Schemel.

Gregor: Conrad, sieh deinen Bart an; er ist gerade so schwarz wie der des Apostels, der Christus verriet. Bist du zuverlässig und ehrlich? Oder muss man seine Sachen in Sicherheit bringen, sobald du den Raum betrittst?

Beanus stöhnt und verdreht die Augen. Ihm wird ganz übel.

Lateinischer Chor singt (Tenor und Bass):

Beanus ille sordidus

Spectandus altis cornibus

Ut sit novus scholasticus

Providerit de sumptibus

Signum fricanus horridum

Crassum dolamus rusticum

Curvum quod est deflectimus

Altum quod est deponimus.

Deutscher Sprechchor:

Dem schmutzigen Beanus

werden Hörner aufgesetzt.

Damit er ein neuer Scholasticus sei,

muss er sich als solcher beweisen.

Als Zeichen reiben wir ihn schrecklich ein,

mit bäuerlichem Mist,

seine Hörner werden begradigt,

Das Vorstehende wird geebnet.

Beanus trinkt vom Wasser, in dem Kräuter und Barthaare schwimmen.

Matthias: Er wird schwach, ist nicht daran gewöhnt, so starke Medizin zu bekommen.

Gregor: Du hast recht, sein Gesicht ist verändert. Es hat nicht mehr seine natürliche Farbe, das ist ein Zeichen der Schwäche. Jetzt bringe die Salbe.

Matthias: Hast du die Pillen nicht mitgebracht?

Gregor: Die habe ich vergessen. Lauf zu unserer Mistgrube und sammle sie ein; die Apotheke ist zu weit.

Matthias: Soll geschehen. Matthias geht weg.

Gregor: Fasse Mut, komm zu dir und beachte die Pillen, die Matthias bringen wird, sie werden dir sehr gut tun. Sieh, da kommt er schon.

Matthias: Schau, die ganze Hand voll.

Zeigt sie herum. Er gibt dem Beanus davon. Der schluckt sie tapfer hinunter. Matthias und Gregor schauen nach ihm. Dann sehen sie sich an.

Unsere Medikamente fruchten wenig. Damit er uns nicht unter der Hand stirbt, ist es notwendig, dass er die Beichte ablegt. Sieh sein Gesicht an: Wenn wir uns nicht beeilen, wird der Geist diese Glieder verlassen.

Ein Kerzenlicht wird ihm ans Gesicht gehalten. Beanus kniet sich schwerfällig hin und stöhnt dabei.

Gregor, laut und besorgt: Seht doch: Er wird, halb tot wie er ist, beim Niederknien sein Leben lassen! Lieber Matthias, frage Leute, die in derartigen Dingen Bescheid wissen und uns bald zu Hilfe kommen können.

Matthias: Ja, ja gleich, aber mir fällt eben etwas ein. Es wird ihn, wenn mich meine Hoffnung nicht täuscht, von aller Schwachheit befreien.

Gregor: Heraus damit, lieber Matthias, du siehst, wie jämmerlich er aussieht.

Matthias: Ich glaube, das beste Heilmittel wird für ihn sein, wenn er nur kurze Zeit in der Kloake unserer Bursa, die einen wirksamen Dunst hervorbringt, mit einem Stricke um die Brust aufgehängt wird. Ist er für ein paar Augenblicke betäubt, so wird er von Stund an geheilt und aller Krankheit ledig sein. Davor aber wollte ich, dass er beichte. Ich bin geweiht. Diese Last werde mir auferlegt; aber wo habe ich meinen Pelzkragen hingelegt?

Gregor: Da, hinter dir.

Matthias: Nun, lieber Conrad, fange an, alle deine Sünden zu bekennen. Sei ganz ruhig, ohne Zweifel wirst du erlöst werden.

Beanus flüstert in sein Ohr. Niemand kann es hören.

Was höre ich: Jeden Tag stahlst du den Bauern Enten und Hühner? O große Sünde. Doch sprich weiter ohne Scheu.

Beanus flüstert erneut.

Aber das ist ein noch schwereres Verbrechen: Sie war eine Jungfer, ehe du sie entehrt. Merke wohl, es ist ein schweres Vergehen, dass du einer Jungfer Gewalt antatest! Weil sie deines Vaters Magd war, hast du, als sie einen Jungen gebar, geschworen, du habest es nicht getan. Du bist meineidig geworden. Endlich halte ich es für die größte Sünde, dass du es an einem Ort vollbrachtest, wo die Pferde stehen und sich entleeren. Du warst so schamlos, es im Angesicht der Pferde zu tun. Aber weil dem wahrhaftig Reuigen die Vergebung nicht verweigert werden darf, und weil ein frommer Beichtvater (das bin ich) eine Buße auferlegen muss, so soll das deine Buße sein: Für deine sonstigen Vergehen und für den scheußlichen Gestank sollst du deine Magister mit einem reichlichen Mahl erquicken. Deine Magister, sage ich, die du für die Freundlichkeit, das Wohlwollen, welche sie dir bezeugen werden, zu lieben und zu verehren gehalten bist. Auch deinen Beichtvater, deinen höchsten Seelsorger, ebenso den Arzt deines Leibes, der in eben dieser Stunde dir, als du ganz entkräftet warst, mit wirksamen Heilmitteln schleunigst zu Hilfe kam. Sie alle wirst du mit einem reichlichen und vorzüglichen Mahl und mit einem Trunke stärken. Sei heute Abend nicht geizig, sondern freigebig; sage dem Diener, dass er vom besten roten Wein auftischt, durch dessen Glut unsere geschwächten Kräfte wieder gestärkt werden sollen. Ich habe nur die Macht, Buße aufzuerlegen, nicht, dich loszusprechen. Gleich geh zu den Magistern, ihnen kommt die Würde des Lossprechens zu.

Gregor wendet sich an die stummen Magister.

Verehrenswerter Magister! Vor euch steht ein sehr großer Sünder. Er hat schwerwiegende Verbrechen verübt. Mir ist die Macht gegeben, Buße aufzuerlegen. Ich habe es getan, er soll sein Hab und Gut verschwenden, für uns alle in den folgenden Stunden. Das habe ich ihm auferlegt, und er hat gelobt, uns mit sehr gutem Weine zu erquicken und alles auszugeben, was sein Vater vom Acker eingenommen, alles Geld, das seine Mutter in ihrer Schatzkammer versteckt und ihrem Manne entwendet hat, für die nötigen Speisen herzugeben.

An Conrad:

Zum guten Schluss beantworte noch folgende Fragen: Hast du eine Mutter gehabt?

Conrad: Ja.

Eine schallende Ohrfeige.

Gregor: Nein, Schelm, sie hat dich gehabt. – Sag, wie viele Flöhe gehen in einen Scheffel?

Conrad: Das hat mich mein Lehrer nicht gelehrt.

Wieder eine Ohrfeige.

Gregor: Sie gehen nicht, sie hüpfen hinein.

Tischklopfen; Becher anstoßen; Geräusche. Conrad reibt sich die Wange. Alle anderen lachen.

Gregor: Nun, Conrad, auf zu den Magistern. Du wirst Vergebung finden. Nach der Lossprechung werden alle hinzutreten und dir Glück wünschen.

Der Beanus fällt auf die Knie und bekennt, dass er als Bacchant sterben wolle.

Matthias: Willst du sterben?

Conrad: Wie ein Bacchant.

Matthias: Und wie willst du auferstehen?

Conrad: Wie ein neuer Studiosus.

Rektor Vergenhans hat das Schlusswort:

Aus der Mythologie wissen wir, dass Circe mit einem Zaubertrank die Gefährten des Odysseus der menschlichen Gestalt beraubt und in Schweine verwandelt hat. Unsere verderbte Natur ist nichts anderes als solche Circe. Sie will dich in einen faulen Esel oder einen stolzen Pfau verwandeln. Sei auf der Hut! Folge den Anweisungen deines Magisters. Du hast nun den Bacchanten-Rock ausgezogen und bist wieder in menschliche Gestalt gebracht. Erinnere dich daran, den Bacchanten-Possen zu entsagen. Gewöhne dich an solche Sitten, wie es rechtschaffenden Studenten ansteht.

Der Beanus ist losgesprochen!

Alle umringen ihn und wünschen ihm Glück. Das Gelage kann beginnen.

Am 27. Dezember 1519 – nach der Vertreibung Herzog Ulrichs – versendet Hans Breuning einen Bericht an Statthalter und Räte des Schwäbischen Bundes zu Stuttgart, der ausführlich das geschehene Unrecht an seinen Vater Conrad und seinen Onkel Sebastian beschreibt. Er bleibt ohne Wiedergut­machung.

Bald nach dem österreichischen Regierungsantritt 1520 kommt im württembergischen Landtag das grausame Verfahren an Conrad Breuning zur Sprache.

Aber erst durch ein Bittgesuch von Hans an den kaiserlichen Statthalter und an seine Räte werden die Rechtsverfahren für nichtig erklärt und Sebastian und Conrad Breuning in ihrer Ehre wieder eingesetzt: Stuttgart, den 12. März 1520.

Hans Breuning, der Sohn des Hingerichteten, wird als Nachfolger seines Vaters zum Vogt von Tübingen ernannt.

 

Schreiben[1] Hans Breunings, Vogt zu Tübingen, an Statthalter und Räte des Schwäbischen Bundes zu Stuttgart.

 Transkribiert von Dr. Heinrich Eberhard Gottlob Paulus, Großherzogl. Badischen Geheimen Kirchenrath und Professor der Theologie. Und Philosophie zu Heidelberg.

In: Sophronizon oder unpartheyich-freymüthige Beyträge zur neueren Geschichte, Gesetzgebung und Statistik. Zweyter Band, viertes Heft. Frankfurt/Main: Wilmans 1821. Seite 7ff.

Den Wohlgebornen, Edlen, Strengen, Ehrenfesten, Fürsichtigen, Ehrsamen und Weisen, Römischer und Hispanischer K. M. auch Churfürsten, Fürsten und an derer Stände des löblichen Bundes zu Schwaben, Fürstenthums Würtemberg, Statthalter und Räten, meinen gnädigen und günstigen Herrn, empeüt ich Hans Bryning der Zeit Vogt zu Thüwingen mein unterthänig und ganz willig Dienst allzeit zuvor, gnädigen und günstigen Herrn.

Nachdem E. Gnaden und Gunst kurz verschiener Tagen von wegen meines lieben Vatters Conrad Brynings, auch seines Bruders Bastian Brynings, meins Vettern [heute: Onkel; zu dieser Zeit Vetter = Oheim] seligen, wie und in was gestalt gegen Inen gehandelt und aus welchen Ursachen sie beide also jämmerlich leiden müssen, einen schriftlichen Befehl, E. G. und Gunst aller Sachen und Handlung zu berichten, an mich haben lassen ausgehen, Inhalt desselbigen also lautend:

„Römisch und Hispanischer K. M. auch Churfürsten, Fürsten und anderer Stände des löblichen Bunds zu Schwaben Fürstenthums Würtemberg, Statthalter und Räte zu Stuttgarten,

„Unserm und gemeins Punds [Schwäbischer Bund] zu Schwaben lieben getreuen Hansen Bryning, Vogt zu Tüwingen

„Unsern freundlichen Willen zuvor, lieber getreuer. Nachdem Herzog Ulrich von Würtemberg in Zeit seiner Regierung, neben anderm seinem Unwesen, etlich seiner Unterthanen in viel und manicherley Weg und unter andern auch deinen Vater Conraden Bryning Vogt zu Tüwingen und seinen Bruder Bastian Bryning, Amptmann zu Weinsperg gewesen, schwerlich durchächt [geächtet] und usser dieser Zeit gebracht. Gott der Allmächtig der Ihnen beiden die ewig Ruhe gab, wolle Dich Ihren [den Ihrigen] barmherziglich ergötzen.

„Und wir aber ihrer vielfältigen getreuen Dienst gemeltem Herzog Ulrichen und diesem Fürstenthum Würtemberg bewiesen zum Theil gut wissen, und bisher usser und innerhalb dies Lands viel und mancherlei Reden, wie gegen Ihnen gehandelt, daß auch Ihnen beiden Unrecht geschehen, mehrmals gehört, und wiewohl Du hievon uff einem gemeinen Landtag hie zu Stuttgarten, als wir bericht, vor versammelter Landschaft sie ihrer Unschuld öffentlich entschuldiget, So können wir doch an demselben und anderen Orten Grund und Gestalt aller [all der] Sachen dan noch lauter und eigentlich nit erlernen, und dieweil wir aber gedenken, daß Du als ein Verwandter, der auch gemeinlich bei allen Handlungen, als uns anzeigt, gewesen seyn solle, dieser Ding am besten wissen tragen magst, ist unser ernstlich Ansinnen und Begehr, Du wollest uns deshalb, wie gegen Ihnen gehandelt, um was Ursachen und welcher gestalt, und also den Anfang bis zu Ende, gründlich berichten, und uns das nit abschlahen. Das wollen wir günstlich um Dich beschulden. Datum Stuttgart en uff Martini Ao. Domini[2] xVc xix.“

Wiewohl ich nun, gnädig und günstig Herrn, angeregten Handel, dieweil der unwiederbringlich, und männiglichem Wissend, wie unverschuldt und wider all menschlich Vernunft hierin gehandelt, Gott dem Herrn sollen und müssen befehlen; dann so ich davon gleichwol bisher Meldung gethan, hatt gleich ein Jeder in dem, daß ich die meinen zu versprechen [= fürsprechen, rechtfertigen] schuldig, mir gewonnen geben, und doch das lassen ein Red seyn. Sonderlich nachdem weiland Römisch Kayl. M. hochlöblicher Gedechtniß, darzu auch die gemein Landschafft an viel und manchen Orten, schrifftlich und mündlich, durch Bottschafften meiner Verwandten Unschuld und sie als Marterer an viel und manchen Orten anzeigt und ausgeruft, hab ich als der, so hierum die Handlungen auch anzeigend partheyisch geargwonet werden möcht, solches dabei bleiben lassen, und doch hievor usser [usser = aus, wegen] haischender Notturft mein Anliegen und warlichen Bericht desselbigen, laut E. G. Schrift, einer Landschaft für gehalten, damit ich gemeint den Sachen, den Fällen und mein Verwandten Irer Unschuld genugsamlich versprochen haben, dabei ich auch das noch bis her lassen bleiben und das übrig Gott befohlen.

Dieweil aber E. Gn. und Gunst mich erfordern, Inhalt ihres Schreibens, dieser Handlung schriftlich Unterrichtung zu geben, damit dann E. Gn. oder jemand nit gedenken, daß ich das, so ich hievor einer Landschaft mündlich fürgetragen, des auch schriftlich Anzeigung zu thun, Scheuen oder Entsezen hab, so will ich, wiewol mit beschwertem Gemüt in Erneuerung meiner empfangen Wunden, E. Gn. und Gunst uff ihr geschehen Anmuten in undertheniger Gehorsami solches wie begert nit bergen, und hat der Handel kürzlich die Gestalt:

  1. Gn. und Gunst, auch männiglichem diesem Fürstenthum verwandt, ist unverborgen, wie treulich, nüzlich und ehrlich obgemelt mein Aelter und Verwandten, und fürterlich mein Vatter Conrad Breuning selig, der Herrschaft Würtemberg und insonderheit Herzog Ulrichen lange Jahr erschießlich [= gedeyhlich, fruchtbringend, von erschießen = aufsprossen, aufwachsen. Paulus] gedient, also und neben andern auch dermaßen, daß bei allen Verständigen die gemein Achtung, daß er mein Vater durch sein getreu herzhafftig Handlungen nit der wenigst Ursacher gewesen, daß benannter Herzog Ulrich hievor bey Land und Leuten behalten worden[3], als auch die Warheit und am Tag liegt, zu dem Ihme Herzog Ulrich des selbst Kundschaft geben und frey in eigener Person angeredt, daß er seinethalben mit als ein Amtmann, sonder als ein Vater gehandelt, und Ihme bei der Hand versprochen, Ihn und seine Kinds Kind des mit allen Gnaden zu ergötzen und in Guten nimmer zu vergessen. Dieß Herzog Ulrichs Selbstbekenntniß und Erbieten ist Edlen und Unedlen, so bei und mit gewesen, wissent, die ich auch, wo vonnöthen, erbietig anzuzeigen, Solches möcht ich auch, wo vonnöthen, mit schriftlichem Urkund[4] unter Herzog Ulrichs selbst Handzeichen und Insiegel beweisen.

Zu dem allem auch weiland Römisch Kayserl. Maj. unser allergnädigster Herr, solches in viel Ihrer Maj. Schriften, wie dann folgends des zum Theil von Wort zu Wort Anzeigung geschehen wird, Bericht gethan; So hat auch mein Vater selig Herzog Ulrichen, in Anfang seiner Regierung, in Rat Bottschaftweis bei weiland Römisch Kayserl. Maj. hochlöblichster Gedächtniß, auch andern Fürsten und Herrn, mit solcher Treue und Darstrekung seines Leibs also er schießlich und dermaßen gedient, daß ihm zu etwas Ergötzung seins Fleiß und getreuer Dienst von Herzog Ulrichen ein namhaftig Anzahl Golds zur Vererung dargebotten worden, das er mit nichten begert noch annehmen wollen. Er aber als ein blöde [körperlich empfindliche] Person seins Leibs ist durch viele seiner Dienst und harter Ritt darunter in solchen Gebrechen, Mangel und Nachtheil seins Leibs kommen, daß er bei zwanzig Jahren vor seinem erbärmlichen Abgang kein Pferd mehr mögen überschreiten, also wohin er folgends von Herzog Ulrichs oder seiner eigen Geschäft wegen sollen oder wollen werben, hat er solches uff einem Karren oder Wagen zu wegen bringen müssen.

Sie, mein Vater und Vetter selig, haben sich auch neben ihren Diensten von Jugend, und dazu ihre Elter, die Breuning von etwan manich hundert Jahren her, als ohne Ruhm zu melden, redlich, biedermännisch und aller Ehren gemäß gehalten, also daß ohne allen Zweifel das Wiederspiel von keinem uff Erdreich mit Warheit an gezeigt, oder je ein Tadel oder maß einiger Unerbarkeit bei Ihnen erfunden oder gehört worden, also daß sie durch ihr lang hergebrachte Erbarkeit noch durch Ir offenbar, redlich und nüzlich Dienst, der Herrschafft Würtemberg von Jugend uff bis in Ir [hier fehlt „Alter“ oder ein ähnliches Wort] und vielfältig bewiesen, nit Ursach geben, viel weniger verwirkt haben, ychtzit [ychtz= irgend, it= etwas] in argem, als leider geschehen, gegen Ihnen fürgenommen zu werden. Dann so ich anzeigte welchergestalt, um was Sachen, von welchen Personen (deren von ihrer Leichtfertigkeit wegen mein Vater Amtshalb en etwan Eingriff sollen und müssen thun) sie beid, mein Vatter und Vetter seligen, bei Herzog Ulrichen mit der Unwarheit eingehept [= eingehoben, angebracht] und zu Ungnaden bracht, wäre seltsam und nit leidentlich zu hören, daß ein Fürst uff dergleich Hingeben ohne Verantwurt der Versagten ein solch schwer Ungnad, wie des Ort leider geschehen, uff seine lieb gehabten getreuen Diener werfen sollt.

Dieweil aber solches landkundig und Zweifels ohne E. Gn. und Gunst wissendt, will ich um Gottes willen ohne angezeigt dieser liederlichen Sachen und Person en E. Gn. und Gunst weiter damit nit bemühen.

Nachdem nun Herzog Ulrich, als er den von Hutten entleibt[5], solcher Handlung halb vor Kayserl. Maj. hochlöblichster Gedächtniß uff einem gehalttenen Reichstag zu Augspurg[6] merklich verklagt, und darunter Ihr Maj. Ihme Herzog Ulrichen zu Hinlegung angeregter und anderer Händel etlich Weg und Artikel für geschlagen, unter anderm , daß er sechs Jahr die nächsten uß diesem Fürstenthum Würtemberg, ziehen, und daß mittler Zeit Land und Leut zu Würtemberg mit einem Regiment[7] von Ihrer Maj. dazu verordnet geregiert werden, mit samt mehr beschwerlichen Anmuthungen, die er annehmen sollt, wie dann dieselbigen durch das ganz Fürstenthum öffentlich verkündt, und aber darvor von gemeltem Herzog Ulrichen etlich seine die treffentlichsten Räth, darzu auch die gemein Landschaft zu Würtemberg aus Ihnen[8] etwan manchen, unter denen auch Sebastian Breuning, auf vorgemelten Reichstag verordnet, das selbst durch unterthänigste Bitt und beflissen Anhalten die Sachen uff guten Weg, damit der Herr, Land und Leut darunter nit zu Grund und zu Verderben gebracht würden, nach ihrem besten Vermögen zu leiten.

Als nun Kayserl. Maj. Herzog Ulrichen um obgemeldten und ander seine begangen Händel in die Acht erkennt[9] dazu vielleicht durch streng Anhalten deren von Hutten und anderer Beleidigten, uff gemelten fürgeschlagen und verkündten Artikeln beharren, und dieselbigen nach langen Handlungen je kein Milderung erlangt werden mocht, befahl zulezt der Obrist Herzog Ulrichs Statthalter und Befehlhaber[10] Doctor Gregorien Lampartern, Canzler, der je gern das Hinziehen und Vertreiben seines Herrn Herzog Ulrichs abgeleint oder uf das wenigst gemildert gesehen hätt[11], in versammeltem Rat allen Verordneten und Gesandten von Räten und der Landschaft, daß sie all und jeder insonderheit bei meinem gnädigen Herrn Herzog Wilhelm en von Bayern, bei seiner fürstl. Gnaden Frau Mutter und Schwester, meiner gnädigen Frauen, bei denen von Hutten, Dieterich Späten, und an andern Orten, wo die Notturft erheischen, jeder für sich selbs, so best er möcht, handlen und arbeiten sollt, damit ob die fürgeschlagen bei schwerlichen Artikel uff ringer und besser Weg und Mittel gebracht werden möchten, uff welchen rechtgeschaffen und norttürftigen Befehl unter andern von den Räten und der Landschaft auch Sebastian Breuning, mein Vetter selig bei vorgenanntem Dietherich Späten, und auch folgends mit Herrn Johann Rennern, Kayserl. Maj. Rat und Secretarien, der fürgeschlagen Mittel halben vielfältig Reden gehabt, und Ihnen mit ausgedrukten Worten gesagt, daß die Landschaft zu Würtemberg in obgemelt Artikel und sonderlich denjenigen, daß Herzog Ulrich das Land räumen sollt, keins Wegs verwilligen; ehe würden sie ihr Leib und Güter daran sezen, aber wie sein Gnaden ohne Vertreiben des Landes, zu Hinlegung der Spenn und zu etwas Ersättigung deren von Hutten, ein Regiment geordnet, möchte vielleicht mit gutem Willen bei dem Herrn und der Landschaft zu Würtemberg erlangt werden.

Und handelt also Sebastian Breuning uff obgemelten Befehl in der Meinung durch angeregte Mittel den Herrn bei dem Lande zu behalten, also getreulich und dermaßen, daß (wie genannter Herr Johann Renner anzeigt, als ich auch selbst von Ihme gehört) Ihme Bastian Breuning in solcher Handlung aus hiziger Begierd sein Herrn bei Land und leüten, und auch die Landschaft bei ihrem Herrn und also beid Theil in Sön und Frieden zu behalten, seine Augen mehrmalen übergeloffen seyen, und vermeint genannter Herr Johann Renner, je wann Herzog Ulrich Ihm Bastian Breuning zu Ergözzung seines gehabten Fleisses und getreuer Handlung Thusend Gulden geschenkt, Ihme wär dennoch damit keine Belohnung geschehen – Solches alles liegt am Tag, bedarf keiner Beweisung, dann all die so von Herzog Ulrichen und der Landschaft uf berührtem Tag zu Augspurg gewesen, wissen, zeigen auch offentlich an, nit allein von Bastian Breuning seligen sondern gemeinlich von Ihren allen uf Befehl Doctor Lamparters dieser und anderer Mittel halb gehandelt, dasselbig auch zu Gutem und endlich zu Richtung aller Spenn, Innhalt des ehrlichen Vertrags zu Blaubeyren ufgericht, erschossen seyn. Aber solches alles unangesehen sie nachgehend all weichen, ihr Vaterland räumen und im Elend seyn müssen, bis solang Herzog Ulrich selbst seins Lands verjagt worden ist. Daß aber Herzog Ulrich ob demselbigen Vertrag zu Blaubeyren ufgericht, wiewol der mit seinem Wissen und Willen gemacht, nachgehends einen Aberwillen gewonnen, des sollten Bastian Breuning und ander, darunter wie Ihnen befolen worden gehandelt, unbillig entgolten haben, als leider geschehen. Angeregter Vertrag zu Blaubeyren, den Herzog Ulrich zu halten und zu vollziehen uf das höchste versprochen, verpflicht auch Ihn Herzog Ulrichen, daß er gegen Jemand diesen Sachen und Handlungen verwandt, darunter Bastian Breuning und ander Verjagten begriffen geweßt, in Argem oder Ungutem nimmer ychzit fürgenommen oder gehandelt haben sollt.

Nun ist aber wohl wahr, daß uf Bastian Breuning um jezt erzählt Handlung nit allein oder ursprünglich, sondern darvor (was) uff etlichen Landtagen zu Stuttgarten gehalten, nachfolgende Ungnad erwachsen und gefallen. Dann als Herzog Ulrich in Rüstung und Fürnehmen war, wider die von Hutten und ihre Anhänger zu ziehen, und in demselbigen uff einem Landtag an die Landschaft Gunst und Hülf begehrt, wie dann der Vertrag zu Tüwingen solches vermag, und in den Räthen des Landtags von gemeltem Herzog Ulrichs Anmuten geratschlagt und gemeinlich in der Umfrag von den ersten davon geredt ward, daß sie ihr Leib und Gut zu Herzog Ulrich sezen wollten und nun die Frag auf Sebastian Breuning, Amptmann zu Weinsperg, so nach der Ordnung seines Amts nahend in der Mitten oder bei den lezten saß, kam, sagt er gleichermassen, sein Gemüth und Meinung stehen, sein Leib und Gut zu seinem Herrn zu sezen, anderst sollte man ihn auch nit erfinden. Nachdem aber der Herr jung und in der Sach, wie offenbar, ganz hizig, möchte gut seyn, sein Gn. nit also eine freye (= unbedingte) Hülf, der er sich vielle icht zu viel überheben und darauf weiter und mehr anfahen, dann sie von der Landschaft durch ihr Vermögen und Zuthun erheben möchten, zuzusagen; solches zu fürkommen, Ihn gedäuchte gut seyn, sein Gn. uf ihr Anmuten ein solch Antwurt zu geben, so jemand, wer der wäre, sein Gn. oder die Ihren überziehen[12], angreifen oder beschädigen wollte, daß alsdann sie von der Landschaft zu seinen Gnaden in Rettung und Widerstand alles ihr Vermögen, Leib und Güter sezen und sein Gnade ins Wegs verlassen wollten; damit endlich zu fürkommen (= vorzukommen, vorzubeugen), daß Herzog Ulrich zu noch mehrerem Nachtheil für sich selbst Niemand angreifen würde.

Solcher Sebastian Breunings Ratschlag gefiel allen nach Ihm gefragten ganz wohl, deßgleichen stunden auch die andern, so von einem freyen Zusagen geredt hätten, darvon, und hiengen Bastian Breunings Fürschlag an. Demselbigen nach, sie von der Landschaft angeregt ihr Erbieten Herzog Ulrich selbst in eigner Person zu verstehen gaben, das dann von Ihme zu ganz hohem Begnügen dankbarlich angenommen, mit Erbietung, solches in Gnaden und Gutem nimmer zu vergessen[13].

Es wurden auch darvor als Hans von Hutten durch Herzog Ulrichen kläglichen getödet wurde, von gemeiner Landschafft, uf selbst Ausschreiben Herzog Ulrichs versammelt, wiewol er damals in Oesterreich geweßt, etlich derselbigen von der Landschaft, unter denen mehr genannter Sebastian Breuning auch seyn mußte, zu denen von Hutten um Hinlegung derselbigen Sache und daß sie von Hutten darunter die fromm Landschaft als die unschuldigen bedenken und sie unbeschädigt lassen wollten, zu handlen verordnet, darob aber Herzog Ulrich, als er wieder zu Land kann, ein solch Ungnad und Mißfallen empfieng, daß sich derselbigen geschikten von der Landschaft keiner seins Leibs oder Guts eine Zeit lang sicher gewußt, deßhalb die Ungnad etwan lang vor obgemeltem Rechtstag gewärt, darauf auch Bastian Breuning zu mehrmalen um gnädig Urlaub gebetten, aber das nie erlangen mögen. Als nun nach obbestimmten Rechtstag und auch nach dem Vertrag zu Blaubeuren[14] aufgericht, in dem all vorgemelt Spene ehrlichen hingelegt und vortragen Herzog Ulrichen, Land und Leüten zu Fried und Sön geholfen, in welchem auch all diejenigen so hierin gehandelt, sie wären inn oder ausserhalb Lands, versönt und all Ungnad ab seyn sollt, und die Gesandten und Verordneten von Räten und der Landschaft, uf berürtem Tag gewesen, zum Theil anheim kämen, ließ alsbald[15] Herzog Ulrich nach denselben besonder denen von der Landschaft greifen über und wider vor bestimmten Vertrag, der solches, wie vorgemelt, ausdrukenlich abstrikt. Welche von der Landschaft nach Ordnung Gottes, der das fürgenommen Uebel an Ihnen verhütet haben wollt, gewarnet darvor kamen, die auch bis auf Herzog Ulrichs Abschied, wie vorgemelt landräumig seyn müssen, bis allein Bastian Breuning dem gleichermassen Warnung gnug geschehen, der aber eine gute Sach zu haben vermeint, keinen Tritt wichen.

Und wurden also er, darzu[16] auch mein Vater Conrad Breuning, Conrad Faut, ein Vogt zu Cantstatt, und Hans Stickel, Burgermeister zu Stuttgarten, wie wohl die zu Augspurg uff dem Reichstag nit gewesen, fänglich angenommen und als Uebelthäter weg von einem Schloß uff das ander, und nach wenig Tagen der gut fromm Bastian Breuning für ein Gericht von Herzog Ulrichen usser[17] seinen Anhängern der Landschaft von Aemtern zu Aemtern zusammen beruft, geführt und allda peinlich beklagt uf die Meinung: Erstlich wiewol hievor eine feine ehrliche Landschaft sich entschlossen Herzog Ulrichen uff sein Erfordern und Notturft im Handel als er wider die von Hutten und ihre Anhänger ziehen wollt, (für) eine freie hülf mit Darreichung ihrer Leib und Güter, so hätt doch Bastian Breuning als ein geschworner[18] Amtmann Ihme aus verkehrtem Gemüth durch sein ungetreuen Ratschläg sein Gnaden solche freie hülf, die ihm zu grossen Dingen erschießen haben möcht, entzogen und dieselbig in einen Unterschied gewendt, das dann seinen Gnaden, auch Land und Leuten zu merklichem Nachtheil, Kosten und Schaden gereicht hätt. –

Am Andern, Nachdem sein Gnad usserhalb Leibs und Lebens höheres und grösseres nit zu verlieren, dann sein Gnaden fürstlich Regierung, so hätt aber Bastian Breuning zu Augspurg uf dem Reichstag bei Dieterich Späten und Herrn Johann Renner gearbeit und gehandelt uff Meinung daß sein Gnad des entsezt, oder am wenigsten ein Ordnung und Maß deßhalben gegeben werden sollt, und namlich mit Dieterich Späten allein in Herr Johann Renners Herberg ernstlich deshalb gehandelt.

Item zum andern mit Dieterich Späten und Herrn Johann Rennern beiden abermals in Herr Johann Renners Herberg.

Item zum dritten mit Dieterich Späten allein deshalb Im Thumm (= Dom) disputirt. Und darum dieweil er also übel und dermassen gehandelt, sollt er zu seinem Leib und Leben gericht werden.

Wiewol nun Sebastian Breuning obgemelter Klag halben, die doch nach Gestalt und Gelegenheit aller Sachen nit viel Verantwurtens bedürft haben sollt, seine Entschuldigung völlig und genugsam anzeigt, und erstlich seinen getreuen und väterlichen Ratschlag, der Landschaft Bewilligen und Erbietens halben gegeben, nach seinem Vermögen beschirmt, und zum andern sein Handlung zu Augspurg begangen, nach aller Notturft bidermännisch verantwurt, namlich daß er nichts dann was sein, Herzogs Ulrichs, oberster Statthalter und Befehlhaber Doctor[19] Gregor Lamparter, Canzler, Ihm und andern befohlen gehabt, gehandelt, und nachdem ihm solcher Befehl vermeint worden, auf das fleissigst bittend, Ihn zu Beweisung derselbigen zuzulassen, wurd er doch unverhört selbiger Kuntschaft daruff doch die Sach, ob er Bastian Breuning für sich selbst oder uff Befehl gehandelt hätt, ganz ruhen wollt, von der elenden verzweifelten Blutrichtern[20] von Herzog Ulrichen seinen Anhänger versammelt zu Tod verurtheilt, und Ihm also über und wider Herzog Ulrichs selbst angenommen uffgerichten Vertrag, hievor gemelt, wie einem unschuldigen Marterer das Haupt abgeschlagen; Gott sey ihm gnädig.

Und seyen doch über obgemelt Vermeinen und Abschlag seiner berümten Kuntschaft, uff diesen Tag Doctor Gregor Lampart er und all die so uf dem Reichstag zu Augspurg uß diesem Land verordnet gewesen, Edel und Unedel, angeregts Befehls, daß auch die berührt Sebastian Breunings und anderer Handlung endlich zu Richtung der Sachen und daß Herzog Ulrich darnach bei dem Land bleiben, anred und geständig, wie dann E. Gn. und Gunst von denselbigen mehrmals, wie E. Gn. und Gunst wissendt, dieses lauter und verständlich Bericht worden, und männiglichem wissendt.

 

Am Andern, berürend meinen Vater Conraten Breuning[21] seligen, der, wie männiglich weißt, und offentlich am Tag liegt, seinem Herrn mehr dann Guts gethan, und wie Kayserl. Maj. selbst anzeigt, Ihn Herzog Ulrichen mit andern, hievor bey Land und Leuten behalten, aber solches unbedacht und ohne einig Ursach, die sich auch über viel unerhört erschrekenlich Marter und Pein an Ihn gelegt keins Wegs erfunden, und jedoch wie sein Bruder und ander unschuldig Marterer, dannoch sterben müssen, gieb ich E. Gn. und Gunst kürzlich diß wahrhaftig Unterrichtung, daß benannter mein Vatter als er, die fürgefaßt Ungnad, darvon ich hieoben Anzeigung gethan, vermerkt, an Herzog Ulrichen durch Fürsten, Herrn, Edel und Unedel zum oftermal in aller Unterthänigkeit gebetten und begehrt Ihme anzuzeigen, was er doch gethan oder mißhandelt haben sollte, und so er sich dann nit allein (nit) mit Mund versprech, sondern auch mit erbarn Leuten sein Unschuld beweiß, wollte er sich deshalb an Leib und Gut strafen lassen, aber zu keiner Verantwurtung nie kommen mögen, sondern ist er darüber von Herzog Ulrichen in seiner erschrekenlich Wuth, wie oben gemeldt, fänglich angenommen und hinweg, wie wol mit dem Zusagen, daß er Ihn selbst persönlich hören wollt, aber doch dem ungemäß uff Hohen Urach und folgends uff Hohen Neuffen geführt, und also nahend uff ein Jahr in Fängniß enthalten, also daß er bis in seinen Tod zu der begehrten und zugesagten Verhör nit kommen mögen,

Und aber in derselbigen Zeit um Sachen im ufgerichten Vertrag zu Blaubeuren mit ußgedrukten Worten hingelegt, mit solcher grausamen erschreklichen Marter und Pein mißhandelt, dermassen daß möglich, einem jeden Bidermann, so davon hört singen oder sagen, von Natur sein Herz darob erzittern sollt, dann des Marterns und Peinens mit gewöhnlichen Wegen, in dem sich die Verordneten zu ihrem Lust und Begnügen an Ihm meinem Vater so lang, bis man Ihn in Ohnmachten mit schney müssen erkicken (= mit Schnee erquicken, wieder zu sich bringen) und mit Ihme weiter nit handlen mögen, genugsam ersättigt haben, ist man nit zufrieden gewesen; als ich auch um Kürze willen davon nit viel Meldung thun will, dann der Augenschein seiner elenden gelähmten Glieder die Wahrheit solcher Mißhandlung selbst anzeigt, sondern ist er auch darüber uff Leitern zum mehreremal von einander zerrissen und gepeinigt, dergleichen nit mehr erhört und also angericht und genötet worden, daß er dermassen geängstigt Ihm selbst den Tod hat wollen anthun, das alles nit uf ein Mal oder Zeit, sondern das Jahr um hin von gemelten Herzogs Ulrichs Verordneten oft und dick geschehen.

Als man aber nach viel und langem Martern in obgemeltem und ander Weg, mit Ihme versucht, nichts endtlichs mögen finden, hat zulezt, als berürt Herzog Ulrichs Verordneten abermals mit Ihme gehandelt, er, Herzog Ulrich mit eigner Hand schriftlich befohlen, mit Ihme in obgemelt und ander Weg, wie sie die immer er denken möchten, fürzufahren, so lang bis Ihm darunter die Seel ußgang[22], oder bis er bekhenn, und ob er dar unter stürb, sollten sie den noch nit ufhören. Welchen Brief und Befehl auch die Verordneten Ihme meinem Vater fürhielten und lissen lesen, mit Anzeigung, daß sie dem nachkommen würden: Und ist also von ihnen mit Zerspannen Armen und Schenkeln gebunden uf ein Leiter und da selbst an seinen Gliedern mit glühendem Gezeng gebrennt hinein bis auf das Gebein, nachgehends aber uff ein Leiter also gebunden ob einer wohl erhizten Glut geraist (= geröstet) und gebraten so lange und dermassen, bis das Gesaft heraus gedrungen auf die Glut getroffen (= getropft) ist, sich an demselbigen aber nit sättigen lassen, sondern nachgehends über etlich Stund also wie vor liegend und gebunden gebrannten Wein uf seinen Leib, Schenkel und Arme geschüttet und den angezündet uf Ihme ußbrennen lassen[23].

Was das für ein Marter, Pein, Angst und Noth sey gewesen, acht ich, Niemand wavon gedenken, noch viel weniger, dieweil das in der Christenheit und als glaublich uff Erdreich kaum erhört geschehen sind, solches mit Mund aussprechen könnte.

Die elend Gestalt die mein Vater mit vorgelähmten Gliedern durch solch Brennen, Braten und Raischen (= Rösten) gewonnen, ist leichtlich zu erachten, dann dreyzehen ganzer Wochen ist er durch den Arzt (den männiglich für seinen Feind und Mißgönner erkennt) umgezogen, und mit unmenschlichem täglichen Ach und Weh zulezt geheilet worden.

Was Schmach, Jammer und Elend Ihm in solcher Zeit begegnet, darvon wär viel zu schreiben, wiewohl mehr dann erbärmlich zu hören, daß ein Fürst seinen getreuen Diener seinen Feinden untergeben und also dem Teufel in Hals werfen soll.

Ob nun einer, so er gleichwohl ein rittermässig stählen Gemüth hätt, durch oberzählt und viel ringer Pein geänstiget, zu Kleinmüthigkeit gebracht würde, und also sagte, daß Gott nit Gott, wäre nit seltsam zu hören, und ist doch mein Vater, wiewohl ein zarter, blöder und belezter seins Leibs über das alles wunderbarlich uff seiner Unschuld beharret. Als er nun, wie vorgemelt, wieder zu etwas menschlicher Gestalt gebracht und die Sach merklich am Uffhören geweßt seyn sollt, seyen oftgemelt Herzog Ulrichs Verordneten abermals kommen und, obberürten verfluchten Befehl nochmals zu vollstreken, wiederum auf das ernstlichste an Ihn gesezt, aber mit dem Fürnehmen, wie sie ihm dann lauter zu verstehen geben, für und für zu gehen, bis sich Seel und Leib von einander scheiden, oder er zur Bekenntnüß gebracht würde, und also mit dem armen, kranken, elenden Marterer die erschrekentlich Pein des Zerrennens uff der Leiter wieder angefangen, und danach Ihn zu einer Bekenntniß, wie die hernach eigentlich angezeigt wird, gebracht. Gott hab Lob, daß Ihm Mord, Kezer – oder Verräterei zu bekennen mit zugemuthet, vielleicht wär ihnen durch ihr gebrauchte Mittel derhalb auch gelungen.

Als nun von Herzog Ulrichen abermals wie vor nach seiner Gelegenheit ein elend Blutgericht seiner Anhänger[24] usser viel Aemter zusammen geklaubet und beruft, mein Vater für solch Gericht geführt, wurde die Klag, darinn obgemelt ungegründet, gezwungen Bekenntnis eingeleibt, schriftlich dargethan und gelesen, die auch ich Hanß Breuning meinem Vater zu Ueberantwortung, derselbige selbst mit eigner Hand abgeschrieben und noch bei Handen hab, des Innhalt[25], daß nach dem Huttischen Handel zur Zeit als Herzog Ulrich in Oesterreich, er mein Vater mit samt etlichen andern von Räten und der Landschaft uf einem Landtag zu Stuttgarten gerathschlagt und fürgenommen hätten, daß er mein Vater bei gemeiner Landschaft damals bei einander versammelt geweßt, handlen, arbeiten und sie bewegen sollt. Nachdem Herzog Ullrich, in Ansehung seiner Händel, Ihm selbst Land und Leüte zu regieren schädlich und nachtheilig wäre, daß dann sie, die ganz Landschaft, Kayserl. Maj. schreiben und anrufen sollten, Herzog Ulrichen gütlich, oder wo das dergestalt mit seyn wollt, in ander Weg zu vermögen, und dazu zu halten, von seinem Regiment zu stehen, und dasselbig andern Regierern, deren er vermeint selbst auch einer zu werden, zu befehlen, und die weil er also übel und wider seine Pflicht gehandelt, und Herzog Ulrich grösseres und höheres usserhalb Leib und Leben nit zu verlieren gehabt, und noch (hat) dann sein fürstlich Regierung, solle er zu seinem Leib und Leben gericht werden.

Wiewol sich nun obgemelter mein Vater beklagter ungegründeter Handlung, der sich doch ein jeder Bidermann, die weil durch eine ganze Landschaft bey dem rechten Richter und Herrn das elend Verderben des Fürsten, Land und Leuten gewendt worden (wäre,) keins Wegs beschämen sollt, mit Grund und in der Warheit entschuldiget, anzeigend seine getreuen, nüzlichen und erschießlichen Dienst sein Leben lang den Herrn von Wirtemberg bewiesen, damit angeregte Beschuldigung und Verdacht billig ußgelöscht seyn sollt,

Item in Betrachtung daß er zu solcher Bekenntniß durch unerhört langwierig Marter und Pein an Ihn gelegt, die Warzeichen er noch an seinem Leib und Gliedern männiglichem zugegen sehen lies, gezwungen und gedrungen, mit Anzeigung, daß Ihm uf obbemelt Herzog Ulrichs Schreiben und seiner Verordneten Handlung daruf für und für wider die Natur und alle Vernunft geübt, kein an der Uß kommen gestanden wär, dann daß er ychtzit (= irgendetwas) hätte sollen bekennen.

Zum Dritten so sehr die Klag anzeigend (sey) das vermeint fürnehmen, (so sey) Innhalt derselben keiner Wahrheit gleich, denn wie hätte er oder ander sich können oder mögen vermessen, eine Landschaft, unter der doch Herzog Ulrich, wie wissent allwegen seine geheimen[26] gehabt, die auch sein Gnaden nie ychtzit, was deshalben gehandelt, verhalten hätten, zu obgemelsten Dingen zu bewegen.

Und ob aber gleichwol dergestalt laut der Klag von Ihme und andern gehandelt, das sich doch, ob Gott will, nimmer, sonder das Widerspiel erfinden sollt, so hätte er doch damit nit übel sondern wohl und dasjenig des sich Herzog Ulrich selbst begeben und der Landschaft zugelassen, gehandelt; dann sein Gnad hätte sich bei kurzen Jahren, gleich nach dem Vertrag zu Tüwingen begeben, und das der Landschaft Brief und Siegel mit eigner Hand unterschrieben zugestellt, daß uf den ußgeschriebenen Landtägen die Verordneten von der Landschaft (derer mein Vater auch einer gewesen) Ratschlagen, handlen und fürnehmen sollten und möchten alles dasjenige, so dem Herrn, seinen Erben und Nachkommen, auch Land und Leuten zu Lob, Ehr, Nuz und Wohlfarth erschiessen möcht, ob nun demnach uf obgemeltem Landtag von der beklagten Handlung geratschlagt und zu Ableinung des Huttischen Spans, damit darunter der Herr, Land und Leut wie vorhanden nit verderbt und verhergt würden, daruff beschlossen und fürgenommen, daß gemeine Landschaft bei Kayserl. Maj. arbeiten und bitten sollte, mit ihrem Herrn gütlich oder in ander Weg zu handlen, von dem Regiment zu stehen etc., des hätten er und die Landschaft, wo das geschehen, gut Fug und Macht, und dadurch dem Herrn, seinen Erben und Nacht kommen, Land und Leuten, Lob, Ehre, Nutzen, Wolfarth geschafft; zu dem von Herzog Ulrichen uff den Huttischen Handel, nachdem sein Gnaden von etlichen ihren Räten schwere desselbigen und was grösser Nachtheil, Verderben und Sterben sein Gnaden, Land und Leuten daruß erwachsen möcht, entdeckt, und zu Hinlegung solches etlich Mittel, untern andern, daß sein Gnad eine Zeitlang vom Regiment stehen und verwilligen sollte, dasselbig sonst zu besezen, fürgeschlagen, solch yezgemelt Mittel selbst erkiest und bewilligt, daß man eins andern Regiments halben Ratschlagen und handlen möchte. Das alles die Warheit ist und liegt am Tag.

Aber solcher Ding aller er unschuldig, hätte deshalben mit Niemand von Räten noch der Landschaft nichts geratschlagt, sondern das Widerspiel fürgenommen und gehandelt, wie auch öffentlich am Tage läge. Dann als Herzog Ulrich den Todschlag an weiland Hansen von Hutten begangen und gleich bald hernach mit Kayserl. Maj. in Oesterreich gezogen, in welcher Zeit[27] ein Landtag gen Stuttgarten, der dann eine gute Zeit gewährt, uff welchem auch die beklagt Handlung und Fürnemen geschehen seyn, sollt, von Ihme Herzog Ulrichen selbst ußgeschrieben; und nun männiglich von der Landschafft uff dem Landtag zugegen ob dem Huttischen Handel ein merklich Mißfallen und Erschreken empfangen und mit Wissen hätten, wie sie sich doch in die Sach, damit die ohne Verderb Land und Leüten hingelegt werden möcht, schiken sollten, einer wollt das, der andere ein anderes handlen und fürnehmen, jeder nachdem er die Sache verstund. Möcht seyn der vorgehend Unlust sich zwischen dem Herrn und der Landschaft im armen Konzen gehalten, biete gegenwärtigem Handel damals die Hand. Als aber er mein Vater den Unwillen so merklich und groß, und dasjenig, so leichtlich daruß folgen mögen, gesehen und vermerkt, hätte er mit allen Treuen sich in den Handel geschlagen, den mit guten und bösen Worten bei der Landschaft getuscht[28] und endlich uf den Weg gebracht, daß sie ihren Herrn Herzog Ulrichen uf sein Zukunft (= Heimkunft, adventus) des Handels selbst hören und in seiner Gnaden Abwesen dero zuwider und Nachtheil nichts handlen oder anfahen sollten, daruff er auch mit Hülf und Rat anderer die Sach zur Ruhe und gemach (= gemächlich, bedächtlich, langsam) angestellt, und hätte solch und dergleichen getreu Handlung damit nit erwunden (= nit erwunden = noch nicht sich genügen lassen, sondern noch mehr gethan … P.), sondern in Fürsorg, es möcht etwa ein falscher Würfel im Spiel seyn, und hernach ychzit zu Nachtheil dem Herrn angehebt werden, dann Wissend, daß desselbigenmals uf den Huttischen Handel die Kind uf der Gassen über den Herrn schrien, sondern (= vielmehr) alsbald er, mein Vater, nach Ußgang obgemelts Landtags wieder anheim gen Tüwingen kommen, alsbald Gericht, Rat und die Verordneten von der Gemeind[29] dasselbst zusammen beruft, sie getreulich und väterlich gebeten, ermant und gewarnt ihren Herrn nit zu verlassen, sondern bei sein Gnaden wie vormals, und sein Gnad ihnen für andern vertraute, als gehorsame Unterthanen das Beste zu thun und sich niemand verführen zu lassen. Dergleichen Meinung hätt er auch, als sein Notturst Krankheit halber seins Leibs erfordert in das Wildbad zu ziehen, darein er auch gleich nach gemeltem Landtag gezogen, im Hinziehen zu Herrenberg, Calw und im Wildbad daselbst, dann die von Gerichten ihn als ihren guten Freund und Gönner mit Haltung guter Gesellschaft verehrt und zu ihnen beruft, mit denselbigen geredt und gehandelt, und sie vor Schaden und Verführen getreulich und väterlich verwarnet.

Ob er nun bey der Landschaft gemeinlich oder sonderlich, Inhalt der Klag, gehandelt, wäre dasselbig wohl zu erfahren, und so man bei der Landschaft ingemein, oder bei einem insonderheit, keinen ußgenommen, oder bei einigem Menschen uff Erdreich immer erführe, von Ihme wider Herzog Ulrichen in einigem Weg geredt oder gehandelt seyn, so sollt (man) ihm den Kopf mit einem Thiln ( = rauhes Brett von Holz, Diele) abstossen. Beth demnach in aller Unterthänigkeit, ihm solch Kundschaft desgleichen auch die von Tüwingen, Herrenberg, Calw und zum Wildbad hierum zu verhören, und so dann die Warheit und daß er, wie von Ihme angezeigt, gehandelt, erfunden würde, wollt er auch dadurch und mit dasjenig, das er mit etlichen insonderheit laut der Klag sollte beratschlagt oder deßhalb ichtzit beschlossen, ußgelöscht haben. Dann so sein Gemüt dermassen zuwieder und zum Nachtheil dem Herrn gestanden, uß was Ursachen wöllt er sich dann uff dem Landtag, auch hernach an andern Orten, wie vorgemelt vor andern herfür gethan, seinen Herrn verantwurt, und den Verrath, der über sein Gnad (nämlich: den Herzog – – abgeleint ist abgelehnt. P.) hätte wollen gehen, alsvorhanden abgeleint haben, dasselbig nit vonnöthen, sondern zu Ersättigung seines Willens genug, daß er nur geschwiegen, nit zugegen gewesen oder sich Krankheit angenommen, und hätte also dem Wasser seinen Fluß selbst gelassen.

Mit welcher obgemelten berümten Kuntschaft er das Wiederspiel seiner gezwungenen Bekentniß, und also nit allein in Werken, sondern auch in Gedanken sein Unschuld erweisen wollt, nachmals um Gottes und der Gerechtigkeit willen bittend und begehrend, Ihne dieselbig und darzu die Räth, mit denen er laut seiner gezwungenen Bekenntniß gehandelt haben sollt, so zum Theil noch bei Ihme Herzog Ulrich dienten und auch bis in sein Abschied bleiben, zu verhören etc.

Ob nun jezt gemelt Antwort und überflüssig Erbieten zu vollkommener Ußlöschung angezeigter nichtigen Klag, obgleich die an ihr selbs wahr, wiewohl das Wiederspiel am Tag gelegen und noch liegt, gedient hab, hat ein jeder leichtlich zu ermessen, bedarf, dieweil die Sach lauter, die auch ich Hans Breuning, wie jezt angezeigt, bei Verlierung meines Lebens noch uff diesen Tag zum Ueberfluß beizubringen erbietig bin, nit viel Glosierens.

Daß aber der Canzler[30] und in diesem Handel der Redmann Herzog Ulrichs, welcher nach seiner Natur, zu gleicher Weiß als ein Spinn aus Honig Gift macht, das so göttlich und recht ist von seinen Leuten, als sie leider geschehen, zum unrechten und also uß nichts etwas machen kann, dadurch dann so die Leüt in dem und anderm mit sehenden Augen geblendet, der Herr, Land und Leit verfürt worden, und darunter manch Bidermann sein Leib, Leben, Ehr und Gut verlieren, das muß Gott geklagt seyn, daß auch unter solchem Blenden mein frommen Vater und Verwandten zu Grund gericht. Denn unbedacht ihr alt hergebracht Erbarkeit und redlich Handlungen, daß auch bei Menschen Gedächtniß von der Landschaft zu Württemberg ohn Ruhm keiner erfunden, der also väterlich und erschießlich in solcher Gefährlichkeit zu seinem Herrn gesezt, als mein Vater wie am Tag ligt, gethan hat; auch unangesehen das groß unmenschlich Martern und Peinigen an Ihme meinem Vater, dergleichen mit mer gehört, als klar, wie die Sonn scheint, gesehen (würde), dann da seyen seine Glieder dermassen zerrissen und gelähmt, daß nahend vonnöthen gewest, daß man Ihn zum Rechten und wieder davon hätte tragen müssen, so ist auch sein Leib und besonders Schenkel und Arme dannoch uff ein viertel Jahrs geheilt, von obgemeltem Brennen, Braten und Raischen in einer so erschrekenlichen Gestalt öffentlich erfunden, daß es nit glaublich viel weniger zu beschreiben; dann sein Leib ist als schwarz wie eine Kohle und die Haut mit dem Fleisch unter einander vom Braten also vermessert (= maceriert) und gedörrt wie ein Hutzel, also daß das Fleisch und Haut mit grossem Gestank uff ein halb glaich ( Glaich = Gelenk, articulus) tief todt gewesen.

Wiewol auch meinem Vater obgemelten elenden Briefs und Befehls, daß auch seinthalb kein Ußkommen geweßt, von Herzog Ulrichs Canzler gestanden (zugestanden, anerkannt wurde), der Meinung, daß er hätt sollen und müssen ichzit bekennen oder darunter sterben, mit Anzeigung, daß solches des Fürsten nit alle in schriftlicher sondern auch mündlicher Befehl gewesen, auch man gesehen, daß die Bekenntniß, ob die gleichwohl, an ihr selbs wahr, in Betrachtung daß durch die Landschaft bei Kayserl. Maj., da solch Händel ordenlich hin gehören, und also obgemelter Freyheit gemäß wohl und nit übel gehandelt, sträflichs nichts uf ihn getragen, auch über und wider sein meins Vaters Erbieten und berümt Kuntschaft, die doch laut seines Anzeigens also unwidersprechenlich gestalt, unverhört derselben und einigs Menschen, hat er wider alle Vernunft durch obgemelt gefärbt, verblümt und heftigst Zusezen, gleich wie unser Herr uff der Juden Schreyen Crucifige, verurteilt, den Tod mit dem Schwert leiden müssen, den er auch mit tapferer beständiger Widersprechung seiner Bekenntniß, daß die uss Marter und Pein geschehen, und daß er der Ding unschuldig sey, als ein Marterer christenlich und mit Willen gelitten hat. Gott der Allmächtig, deß Reich sie beide mit andern Ußerwählten ohne Zweifel besizen, vergebens allen unser Sünd.

Solches alles, wie von mir anzeigt, ist die lauter Warheit, zeug mich des uff die beschrieben Acta, so noch uff diesen Tag bei der Canzley vorhanden sind, auch uff männiglich bei beiden Rechtfertigungen zugegen gewest, und ob jemand, wer der wär, vielleicht Ihme zu etwas Beschämung reden würde, die Händel anders ergangen und gestalt seien, das widersprich jezo kräfttiglich und sag, daß derselbig die Unwarheit, und nit rede als ein Bidermann, und erbeut mich demnach frey deßhalb männiglichem vor Euer Gnaden und einer jeden unpartheyischen Erbarkeit einstand zu thun, und so sich erfinde von mir hierinn E. Gn. in einigem Stück die Unwarheit fürgehalten seyn, will ich mich in Straf Leibs und Lebens begeben haben.

Daneben ist in den gemeinen Mann gebildet (= dem Volk eingebildet, eingeredet worden. P.), und möcht seyn, es wär E. Gn. auch fürkommen, als ob etlich von Räten oder der Landschaft und unter denselben auch mein Vater zu Zeiten als Kayserl. Maj. in Oesterreich war, darvor oder darnach Irer Maj. Herzog Ulrichs halben geschrieben und daselbst wider sein Gnad gehandelt haben sollten, solches ist auch von Herzog Ulrichs Canzler in obgemelter Rechtfertigung vielfältig geahndet und über die wahrhaftig Entschuldigung meins Vaters daruff beharrt worden, als ob er deshalb schuldig wär, daran Ihm dann aber Gewalt und Unrecht geschehen. Dann wiewol er des Orts wie vor zu Beweisung seiner Unschuld nit kommen mögen, hat doch nachgehends die Römisch Kayserl. Maj., so meins Vaters mannigfaltig getreu Handlung, Herzog Ulrichen bewiesen, gut Wissen gehabt, die auch Ihr Maj. vor Fürsten und Herrn, die des Kuntschaft geben, von Ihm gerümt, der Wahrheit zu Fürstand Ihne meinen Vater und die anderen Marterer obgemelts Gezigs (= Bezüchtigung, Anschuldigung; von ziehen d. i. beziehen auf einen) uff dem Reichstag zu Augspurg offenlich versprochen, und in einem Ußschreiben, darin sich Ihr Maj. Herzog Ulrichs Unthaten halber beklagt, einen sondern Artikel an all Ständ des Römischen Reichs schriftlichußgehen lassen also lautend: Und er Herzog Ulrich sucht noch mehr täglich gegen den erbarn und vermögenlichen der Landschaft, die von aller Erbarkeit und unverläumdt sind, und Ihm zu fürstlichem Stand, Regierung, auch zum Theil zu Erhaltung seins Staats treulich geholfen und Ihn behalten haben, ungegründet Ursachen halb derselbigen etwan viel wider Gott und Recht jämmerlich martern und peinigen lassen, sie damit seins richtigen Willens und Gefallens zu vergichten (= nach seinem rachsüchtigen Willen und Gefallen gegen sich selbst Geständnisse zu machen. P.) genötet, und über das daß sie solch gezwungen Vergichten vor ihrem End widerruft und daruff den Tod christenlich gelitten haben, richten lassen, uß seinem tirannischen Fürnehmen[31] etlich verjagt und nach derselben Leib und Leben gestellt, die doch peinlich und bürgerlich Recht vor uns zugeben und zu nehmen erbietig, deren auch etlich mit unser kayserlich Sicherheit und Geleit versehen sind, diese aber uns zu Verachtung nit fürtragen mögen, und also mit Hülf und Zuthun etlicher unnützer Leut, die er längst ihrem Verschulden nach gestraft haben sollt, das unschuldig Blut täglich mit Marter und Tod vergießt, das alles haben wir wissen, und ist offenbar ohne seiner Mißgönner Anbringen, die er auch ohne Grund deshalb beschuldigt, denn wir wissen bey gutem Glauben von den gedachten elenden Marterern nichts, das sie bei uns noch in ander Weg wider den von Würtemberg gehandelt haben[32], glauben aber wohl so sie etwas übels wider sich selbn bekennt, daß sie solches uß hie vorangezeigter hitzigen, rüchigen (rachsüchtigen ?) und tirannischen Pein und Marter gethan haben, das dann uns und allen Ständen des heiligen Reichs zu hören und zu sehen billich schwer seyn soll, unsers eigen Fürstenthums frommen Untterthanen christenlich Blut also gewaltiglich und eigenwillich zu plagen und zu vergießen, und möcht zu sorgen mit der Zeit wohl ein schwer End nemen etc. Diesen meinen warhaften Bericht, der nit gefärbt oder verblümt, sondern an ihm selbs gestalt wie die Handlungen ergangen sind, als leider offenlich am Tag liegt, wollen gnädig und günstige Herrn, bitt ich unterthäniglich, von mir gnädiglich annehmen und mich in gnädigem und günstigem Befehle haben, das begehr ich unterthäniglich und mit Willen zu verdienen.

Datum Montag nach Johannis Baptist[33], Anno Dominici MDXIX. (= 1519.)

 

Wahrscheinlich erfolgten 1519 nach dem Eindruck, welchen dieser – ohne Zweifel hinreichend bekannt gewordene – Bericht machen mußte, alle die Ehrenbezeugungen und Wiederherstellungen eines guten Gedächtnisses, welche die Stadt Tübingen nach Crusius Annal. Suevic. P. III. fol. 551. der Breuningischen Familie zugestanden. Ein jährlicher Ehrentag auf Kosten der Stadt, mit Gottesdienst in der Hauptkirche, ihm, noch da Er lebte, versprochen. Unterstützung für Arme aus der Familie. Stipendien für Studienfähige. Ueberhaupt Gunst und Dankbarkeit der Stadt für immer. Nach einer Urkunde vom Tag Paul Bekehrung a. MDXIX. Paulus

 

 

 

 

[1] Copiert von einer Handschrift auf Pergament in 4. auf 12 Blättern, die, wenn nicht die Urschrift selbst, doch gleichzeitig ist. – Die (am Ende bemerkte) Unrichtigkeit im unterzeichneten Datum kann – wer hat nicht schon im Unterschreiben eines Briefdatums geirrt? – ein bloßer Schreibfehler sein. P.

 

[2] = d. 11. Nov. 1559. (= 15 centum und 19)

[3] Durch Zerstreuung der Insurectionen zu Leonberg und bei Schorndorf, dann durch den Tübinger Vertrag, welcher den meisten Bürgerschaften noch viel zu nachgiebig schien. – – Man hat diese damaligen Volks-Unruhen nicht dem langen steigenden Druck der Zeit, sondern öfters der Lehre Luther s als lauter Aufforderung zum Selbst denken, zugeschrieben. Der Aufstand in Würtemberg war von 1514. 15. wo Luther noch sehr unbekannt war. Eine denkwürdige Stelle von dem für die Aufstände gewiß nicht partheyischen Sattler (§. 76. zum J. 1514 ) ist hieher bemerkenswerth: „Damals war die Zeit, da die Verschwendung überhand nahm. Der dazu erforderliche Aufwand erforderte mehr Einkünfte, welche die Unterthanen nicht mehr erschwingen konnten. Jeder will die Frucht seiner Arbeit genießen. Man sah aber, daß andere Vorgesetzte üppig nach damaliger Zeit verschwendeten, was die Geringern mit großer Mühe gesammelt hatten. . . Ganze 25 Jahre von dem Eintritt dieses Jahrhunderts an hörte man von nichts, als da und dort entstandenen Aufruhren.“ P.

[4] Der Wappenbrief für Tübingen, worinn die oben angeführte dankende Anerkennung der Verdienste Conrad Breunings um Ulrich – ist vom Himmelsfahrtstag 1514. Steinhofer IW. Th. S. 181. (Er verspricht auch, daß das Hofgericht fürterhin allwegen zu Tübingen sey, blieb und gehalten und nie von dannen verändert werde. S. 180.)

[5] Den 8. May 1515. (Sattler I. S. 186.) Um diese Zeit verschaffte ein Nuncius Apostolicus a Latere für Herzog Ulrich und 12 andern Personen, welche erst von ihm benennt werden möchten, die Specialem gratiam des beatissimi Patris, daß ein Beichtvater von der Welt – oder Ordensgeistlichkeit, welchen jeder derselben wählen möge, jeden von ihnen von Excommuncation, Interdict und Kirchenstrafen über Verletzung der Gelübde und Kirchengebote, Meineyde und Verschuldungen, zufälligen oder bedachten Menschenmords, selbst gegen kirchliche Personen, außer den Prälaten, kurz ab omnibus et singulis eorum peccatis, criminibus, excessibus et delictis quantum cumque gravibus et enormibus, dé quibus cordé contriti et confessi sint, und zwar von den reservierten, außer denen in der Bulle in Coena Domini – einmal im Leben und in articulo mortis, von andern aber toties quoties opus fuerit, absolvieren dürfe. – – Die Urkunde steht auch bei Sattler. Beil. 50. S. 116. – 118. des 1. Theils von den Herzogen; die Gewährung (vom 10. April 1517) mit der Formel: Fiat, ut petitur. Jo. Cavallicen (sis). Johy Moscatellus. – – Dies unmittelbar um die Zeit, wo die Reformation endlich durchgriff. Vergl. Crusiis Annal. suev. P. III. L. 1 o. c. 6. und Sattlers Text zum J. 1510 S. 1 12.

– – Ein mächtiger Aufschwung zum Vorsatz der Selbstbesserung muß doch im Gemüth des Herzog Ulrichs sich erhoben haben, als er in den nächsten Jahren, unter den Folgen seiner Regierungssünden zur Besinnung gekommen, sich von solchen Absolutionen zu den evangelischen Forderungen des thätigen Glaubens überzugehen entschloß. – Paulus

[6] Hierauf ist zu beziehen, was Sattler I. Th. S. 189. Zum J. 1515. §. 83. von einem Reiten Ulrichs zum Kayser anmerkt, ohne den Ort, wohin, zu benennen. Die Stände schickten, wie das Ende des §. sagt, an den Kayser und Herzog, auch den Canzler Lamparter u. a. wo dann von dem Zwischen – Regiment gehandelt worden seyn muß. – Paulus

[7] Durch ein solches Zwischen-Regiment mit einer in Unordnung geratenen Regierung wieder einzulenken, war in jener Zeit ein gewöhnlicher Gedanke. K. Maximilian selbst, welcher bei seiner Ritterlichkeit und Genialität das Tagtägliche der Geschäfte gar zu leicht vergaß und eben deswegen auch den jungen Herzog Ulrich – weil er am besten mit Ihm reiten und jagen konnte – lange Zeit gerne bei sich behielt, hatte sich, um einen guten Anfang des neuen Jahrhunderts zu machen, um 1500. zu einem solchen „Reichs-Regiment“ verstanden, wo Ausgewählte aus Churfürsten, Fürsten und Ständen seine Stelle vertreten und in seinem Namen Ordnung herstellen sollten. s. Das Ausführliche dieser sonderbaren Anstalt in des Weimarischen Archivars, Müller, Reichstagsstaat. (Jena 1708. 4.) Leicht freylich kann man den zu einer solchen Wiederherstellung der Ordnung stark bevollmächtigten Räthen auch wieder ihre eigene Menschlichkeiten zutrauen. Der Unterschied ist nur: Diese sind möglich, das aber, wogegen sie aufgestellt wurden, war bereits wirklich da, und in so unheilbarem Grade da, daß man nicht anders zu helfen wußte.                 Paulus

[8] Damals waren eigene Sendungen von Ständeversammlungen eine nicht ungewöhnliche Nothhülfe.               Paulus

[9] Diese Acht muß als angedroht, nicht als sogleich publicirt gedacht werden. Erst 1516. war sie aus­gesprochen, doch die Vollziehung noch nicht erlaubt. Sattler. § 401. S. 220. zum J. 1516, October. P.

[10] Ulrich hatte, da er zum Kayser ritt, im guten Einverständniß mit Ludwig und Friedrich von der Pfalz, mit Würzburg, mit dem Bischoff von Straßburg und Marggrafen von Baden, diesen in der Abwesenheit sein Land anvertraut. Sattler S. 189. Diese schickten dann Räthe und Landschaftsglieder dem Herzog nach (S. 190.) mit Aufträgen, welche man hier genauer, als bei Sattler, kennen lernt.                       P.

[11] Schon zuvor befürchteten und erklärten Ihm selbst alle die vertrautesten Räthe Ulrichs, daß die Regierung gar seinem Bruder oder einem Andern (dem Kayser?) zufallen möchte. Sattler S. 180. §. 78. Lamparter wird mehr der Eigennützigkeit beschuldigt, als die Geschichte beweist. Bei den Unmächtigeren wird das mögliche Schlimme als wirklich, bei den Mächtigeren das Wirkliche kaum als möglich angegeben. P.

[12] Sebastian Breuning war also der Vorsichtige, welcher dem jungen, hitzigen Herzog nicht Mittel zu einem Angriff-Krieg geben, aber Schutz gegen jeden Angreifer gewähren wollte. Was Sattler S. 191. §. 84. angiebt, die Breuninge hätten in der Ständeversammlung auf Absetzung oder Zwischenregiment angetragen, ist bloße Anschuldigung. Doch bekennt sogar Sattler, wie wenig Herzog Ulrich den Tübinger Vertrag vollziehen ließ, nichts von beßerm Haushalt einführte u. dgl. P.

[13] Vergl. Sattler §. 87. S. 196. zum Dec. 1515.

[14] Bei Sattler wird Conrad Breuning schon beim Jahr 1516. §. 87. S. 196. als verhaftet angegeben. Den Blaubeurer Vertrag vom 20. Octob. 1516 unterschrieb noch Bastian Breuning von Weinsberg mit. Sattler § 103, S. 224.                P.

[15] Der gutmütige Sattler macht I. Th. § 104. S. 225. den Uebergang: „Nunmehr war also dieser verdrießliche Handel beigelegt. Aber der Herzog hatte das Unglück, schon wieder in einer andern zu geraten u. s. w.“ Ulrich wollte das im Blaubeurer Vertrage doch so eben unterschriebene sechsjährige Regiment von Statthalter und Räthen nicht zur Wirklichkeit kommen lassen. Er meinte, im Lande alles durch Schrecken abzuhalten, außer dem Lande durch Versprechungen, wie gegen den Kayser. Sattler S. 228. Der Geschichtschreiber, welcher dergleichen Facta durch Gutmütigkeit verdeckt, bedenkt nicht, wie nahe er dem Servilen kommt, und wie wenig gutmütig er gegen alle diejenige ist, welche die Gewalt um so leichter auch in der Folge zu mißhandeln sich erlaubt.      P.

[16] Nach Sattler § 87. müssen wir denken: wie zuvor schon auch mein Vater.        P.

[17] usser ist hier aus, nicht außer. – – Was die Sache betrifft, sieht man das Schlimmste, wie sehr die von dem Landtag noch in den zwey nächsten Jahren nach dem Tübingischen Vertrag über ihre Rechte in der Kindheit, oder schon wieder von der Gewalt und dem Eigennutz umstrickt und gefangen waren. P.

[18] Die geschworne Diener, die Staatsdiener, welche doch des Staates Diener sind und seyn sollen, wähnte man also damals, sollten immer nur votiren, wie die Person des Regenten wollte. P.

[19] Man muß nach der schon oben gegebenen Stelle es in Dativ verstehen: dem Dr. L.

[20] So wenig erhielten diese Stände sich selbst bei dem, was nach Landesverträgen Recht war. Tyranno servus, servis tyrannus nunquam deest ?         P.

[21] Conrad Breuning war allerdings 1498 bei dem Zwischen-Regiment, welches unter Herzog Eberhard II. errichtet wurde, als Secretarius gebraucht worden. s. Sattler I. Th. Beil. 18, S. 53. Allein jenes Regiment war rechtlich und reichsgesetzmäßig entstanden, die Regimentsordnung war gut und dem Lande nützlich, Eberhard der II. aber war schon von dem vortrefflichen Eberhard I. als regierungsunfähig, ja höchst schädlich erkannt worden, so daß er auf alle Weise das Land von ihm zum voraus zu entlasten gesucht hatte. Nichts ist sonderbarer, als daß die Geschichtschreiber, wenn je der Mittelstand gegen einen Eberhard II. auf rechtliche Weise eine Nothhülfe bewirkt, alsdann blos der Möglichkeit, daß die Mitglieder eines solchen Zwischen – Regiments – auch an sich und ihren Vortheil gedacht und dem Vaterland nicht ganz umsonst gedient haben, das Uebergewicht, zu geben suchen und gleichsam voraussetzen, daß das Alterthum sich lieber von einem Eberhard II. und seinen noch schlimmern Räthen verderblich, als von Ihresgleichen leidlich-gut hätte regieren lassen sollen. Unter denen Vorständen des Landes, welche sich von Eberhard II. lossagten, weil er den Eßlinger Vertrag, das Testament und die Erectio Ducatus nicht halten, sondern vom ersteren sich durch den Kayser lossprechen lassen wollte, war (s. Sattler ebend. S. 27.) nicht nur Sebastian, sondern auch Conrad Breuning.   P.

[22] Ulrich hatte sich über dergleichen Fälle zum voraus päbstliche Absolution gesichert. s. oben Note S…

[23] Wahr ists: Auch im neunzehnten Jahrhundert kann noch Willkührliches von mancherley Art geschehen. Jedoch so etwas, wie – lebendig im Brantweinfeuer geschmort zu werden, war höchstens noch in den unterirrdischen Inquisitionskerkern von Spanien möglich. Und eben deswegen haben auch diese dem Genius der Zeit ihre Beute ausliefern und weichen müssen. Die Hand des Ministers Arguelles, welche, selbst von Folterinstrumenten verzerrt kaum schreiben konnte, unterzeichnete noch die Befreyungsurkunde. – Wer kann zweifeln, daß die Menschheit sich zum Bessern entwickle? Nur können hundert Jahre dazwischen fallen, bis durch einen verbrannten Huß ein Luther vorbereitet ist, den man ungebraten lassen mußte. Doch giebt es auch Epochen, wo man in Jahrzehenden, was sonst Jahrhunderte brachten, durchlebt und überleben kann.

[24] Der alte, so nöthige Unterschied zwischen ordentlichen, geprüften, collegialischen, bleibenden Gerichtstellen und zwischen ad hunc actum auserlesenen extraordinären Justiz- oder Polizey-Delegationen.          P.

[25] Sattler der Geschichtsammler, beruft sich in der Note S. 141. der Beilagen, nur auf die Urgicht (Geständniß) von Breuning und erzählt S. 191. nur nach dieser Klageschrift, ohne der Vertheidigung, ohne des Zwangs durch die fürchterlichste Folterqualen zu erwähnen. – O Beccaria! welchen Dank der Europäischen Menschheit verdienst Du, daß dein Wort die Justiz wenigstens von dem Bündniß mit den Furien befreyte, daß wenigstens nicht mehr Teufelsmartern Belege für Verdammungsurtheile und Justizmorde erzwingen dürfen. – Hie und da, sagt man, werden noch in Teutschen Landen die Mordinstrumente vorgezeigt, aber nur zum Schrecken vorgezeit. Wenn dies wahr ist, was begeht man? Zunächst wenigstens eine große Inconsequenz, durch Schreckmittel zu drohen, was man zu erfüllen sich doch zu scheuen versichert! Noch schlimmer aber wäre, daß man den Grundsatz fortsetzte, erzwungenes Geständniß gebe dennoch Wahrheit, richterliche Ueberzeugung. Wie weit könnte dieser Grundsatz leicht wieder führen? Schon alle Erinnerungszeichen, wozu er, nur allzuoft, unter dem Namen der Justiz schon geführt habe, sollten alle Regierungen – den Vorfahren zu Ehren – dem Anblick der Nachwelt entrücken.               P.

[26] Der gleichen Landtags-Abgeordnete müssen jene 1517 nach Augsburg an den Kayser gekommene gewesen seyn, welche versicherten: Sie hätten nicht die geringste befugte Klage gegen den Herzog oder seine Räthe, sondern machten sich ein Vergnügen daraus, unter seiner Regierung fernerhin zu leben.  – – Sattler I., S. 235. hält diesen Widerspruch gegen die ganze Negierungsgeschichte und Charakteristik Ullrichs für – bemerkenswerth. Denn er beweise, daß das noch heut zu Tag gegen diesen Herrn gefaßte Vorurtheil (auch der Tübinger Bertrag und dessen Ursachen?) auf den alleinigen Verleumdungen seiner damaligen Feinde beruhe.„ – – Machen die Anleitungen, auf solche Art Geschichte zu schreiben, sie zur besten Lehrerin der Menschheit?? – – Der Würtemberger schmeichelt nicht, wenn er desto froher anerkennt, daß der König die Publicität, als die beste Entdeckerin des wahren Zustandes der Zeit besonders auch für die Regenten, von jeher anerkannte, dafür bald möglichst ein Preßfreyheitgesetz einführte und nach der Inschrift: Treu und beständig dem von Ihm gebilligten Verfassungsvertrag gemäß dieses Mittel Gründe und Gegengründe überallher zu vernehmen – festerhält.   P.

[27] Vergl. Sattler I. Th. der Herzoge, zum J. 1515. § 83, 84. S. 189–192.          P.

[28] Sinn: Conrad Breuning habe den, nämlich Handel oder Streit mit Reden gedämpft und endlich so geleitet, daß …

[29] Man bemerke, daß auch damals Verordnete von der Gemeinde mitzureden hatten.                      P.

[30] Damals nicht mehr Dr. Gregorius Lamparter (Vergl. Sattler zum Jahr 1517. S. 233.) sondern wahrscheinlich schon Dr. Volland, eben derjenige, welcher den Herzog, als er das Land wieder eroberte, den verhaßten Tübinger Vertrag abzustellen rieth, nach dem Satz: Neuer Herr, neues Gesetz! Sattler II. Th. S. 28. zum J. 1519.

Ein gleichzeitiger Volksgesang schiebt dem Dr. Volland den Bruch des Blaubeurer Vertrags und den nachfolgen Terrorismus zu. Sattler II. S. 140. 141. Eine merkwürdige Beilage. Dem Vertrag, zu Blaubeuren besiegelt, hält der Poet für eine Nothhülfe –

damit der Vollandt und seyn gesellen

die Sachen hont (haben) beschirmen wöllen.

 

Darauf wird auch der Breunige und anderer Martyrer beschrieben und der Wink beigefügt:

Doch mein ich, der solches gestiftet hat,

er hab verdient an solcher That,

daß er hernach in kurzer Frist

zu einem Canzler worden ist.

 

Volland wollte Canzler seyn; also mußte Lamparter verdrängt werden. Von diesem ist gewiß, daß er manches für das Land that, von jenem, daß er des Landes Grundgesetze rabulistisch (spitzfindig, wortklauberisch) umstürzen wollte. Paulus

[31] Der gutmütige Sattler schreibt zum J. 1517. S. 234. §. 109. „Die Strafe des Augenausstechens wurde von dem Herzog (gegen Wilderer) beliebt, von seinen Wiederwärtigen aber als tyrannisch angegeben.“ So lernten Archivare unter der Geheimratscensur von 1769. Landes-Geschichte schreiben. P.

[32] Ein Mandat K. Maximilians I. (dd. 17. July 1518.) von gleichem Sinn ist gedruckt bei Sattler 1. S. 261. der Beilagen. Auch nach der Breuninge Tod fuhr Ulrich gegen andere fort, ebenso unrechtlich und grausam zu handeln. Der Kayser erklärte, unter des Prinzen Christoph Namen eine Landesregierung anordnen zu wollen. Die Landstände selbst waren dafür nicht. P.

[33] Insofern das Schreiben der Schwäbischen Bundes- Regierung vom 11. Nov. 15 19. ist – Joh. Bapt. kann die Antwort darauf nicht vom Junius, wohl aber vom Ausgang Decembers = Joh. Evangelista seyn.

Stand: 31.12.2019 UK; 5.2.2020 UK

 

  1. Heyd, Ludwig Friedrich (1841). Ulrich, Herzog zu Württemberg. Tübingen: Fues.
  2. Adriani, Götz, Schmauder, Andreas (2014). 1514 Macht Gewalt Freiheit. Thorbecke.
  3. Haller, Johannes (1927). Die Anfänge der Universität Tübingen 1477 – 1537. Stuttgart: Kohlhammer.
  4. Lorenz, Sönke, Bauer, Dieter R., Auge, Oliver (2008). Tübingen in Lehre und Forschung um 1500. Thorbecke.
  5. Decker-Hauff, Hansmartin, Fichtner, Gerhard, Schreiner, Klaus, Setzler, Wilfried (1977). Beiträge zur Geschichte der Universität Tübingen 1477 – 1977. Tübingen: Attempto
  6. Huinzinga, Johan (1987). Herbst des Mittelalters. Stuttgart: Kröner
  7. Borst, Arno (2013). Lebensformen im Mittelalter. Hamburg: Nikol
  8. Marstaller, Herrschaftliche Großbauprojekte in Tübingen zwischen 1475 und 1500, in: Jahrbuch für Hausforschung 58 (2009), S. 421 – 449
  9. Witterungsaufzeichnungen aus dem Stöfflerschen „Almanach nova, Venet. 1521, Signatur R16 Stoe 1“ der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart in lateinischer Handschrift mit vielen Abkürzungen; abrufbar als vollständiges Digitalisat: http://digital.wlb-stuttgart.de/purl/kxp1685942962
  1. Der „Arme Konrad“ vor Gericht: Verhöre, Sprüche und Lieder in Württemberg 1514; Begleitbuch und Katalog zur Ausstellung des Landesarchivs Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, [20. Mai bis 14. September] / bearb. Von Peter Rückert, Stuttgart: Kohlhammer, 2014
  2. Mertens, Dieter, Deutscher Renaissance-Humanismus, erschienen in: Humanismus in Europa. Heidelberg: Winter, 1998, S. 187 – 210
  3. Mertens Dieter, Eberhard im Bart und der Humanismus; erschienen in: Hans-Martin Maurer (Hrsg.): Eberhard und Mechthild : Untersuchungen zu Politik und Kultur im ausgehenden Mittelalter. Stuttgart: Kohlhammer, 1994, S. [35] – 81
  4. Worstbrock, »Schneevogel« (1992), Sp. 779–781: „Die ‚Latina idiomata‘ vereinigten drei selbständige Dialogreihen.“ Eine davon, das Latinum idioma pro novellis studentibus wurde später umgearbeitet und anonym unter dem heute weitaus bekannterem Titel Manuale scholarium veröffentlicht
  5. Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440 –1493) nach Archiven und Bibliotheken geordnet herausgegeben von Heinrich Koller, Paul-Joachim Heinig und Alois Niederstätter Heft 24
  6. Forderer, Josef, »Konrad Breuning. Ein Beitrag zur württembergischen Geschichte unter Herzog Ulrich«, in: Tübinger Blätter 22 (1931), S. 1–9.

 

(Ende der Liste)

Ulrich Kischko